Frauenrollen Geschichtsschreibung

Amazonen

Amazonen

Über Frauen, die den Alten Griechen das Fürchten lehrten und dadurch heute noch zeigen, wie schön es sein kann, dem Schubladendenken zu entfliehen.

Lange Zeit wurden sie als Einbildung oder mythische Vorstellung der Griechen angesehen: die Amazonen. Doch mittlerweile weiß man, dass es starke, mutige und heldenhafte Frauen gab, die hoch zu Ross in den Krieg zogen. Wer waren diese Frauen, die die Fantasie bis heute beflügeln?

Klischees und festgefahrene Rollenmuster

Vieles, das fremd ist, macht Angst. Aus Angst werden schnell Vorurteile und daraus werden wiederum hartnäckig Klischees bedient. So erging es wohl den Griechen, als sie in Kontakt mit hosentragenden und hoch zu Ross bogenschießenden Frauen der Skythen kamen, die als Amazonen bekannt wurden.

Männer haben das starke Geschlecht zu sein, Frauen sind eher hysterisch. Dieses stark verallgemeinernde Vorurteil hält sich hartnäckig, selbst heute noch – zum Teil jedenfalls. Dabei weiß man mittlerweile, dass bereits in der Steinzeit, bei den Wikingern oder bei den Skythen Frauen und Männer ebenbürtig gelebt und bestattet wurden. Was passiert also, wenn festgefahrene Rollenmuster in Kontakt mit fremden Lebensentwürfen kommen, die so gar nicht in das eigene Weltbild zu passen scheinen? Das lässt sich gut am Beispiel der Amazonen verdeutlichen.

Und es gab sie doch! - über Vorurteile und Mythenbildung

Da die Skythen keine schriftlichen Zeugnisse hinterließen, geben nur Schriftstücke von anderen Kulturen, wie etwa den Griechen, Einblick in deren Leben. Deshalb war lange Zeit nicht klar, ob die Amazonen real oder einfach eine Erfindung waren.

Und es gab sie doch - Frauen, die als Kriegerinnen kämpften. Durch das Öffnen von Kurganen, den Grabhügeln der Skythen, konnten neue Einblicke in das Leben der Skythen gewonnen werden. Lange hielt sich das Vorurteil, dass Männer mit Waffen und Frauen mit Schmuck beigesetzt wurden. Durch DNA-Analysen konnte jedoch zweifelsfrei belegt werden, dass auch Frauen mit Waffen, Tätowier-Sets und Rauchzeug mit Cannabis bestattet wurden.

Man wird erst wissen, was Frauen sind, wenn ihnen nicht mehr vorgeschrieben wird, was sie sein sollen.

  • In: Zur Kritik der Weiblichkeit: Kanon der schönen Weiblichkeit, 1922, S. 199, von Rosa Mayreder.

Jedoch war nicht jede skythische Frau eine Kriegerin. Es wird angenommen, dass eine von drei bis vier Frauen der Skythen als Kriegerin tätig war und anschließend mit den passenden Grabbeigaben bestattet wurde. Dabei standen diese Frauen im Gegensatz zum Frauenbild der Alten Griechen, bei denen die „normale“ Frau für den Haushalt zuständig war und nicht gegen andere in den Krieg zog.

Das wiederum beflügelte die Mythenbildung rund um diese „exotischen“ Frauen, die sich gar nicht wie „echte“ bzw. „richtige“ Frauen benahmen. So beschrieben Griechen die Amazonen als Wesen, die ihre eigenen Söhne aufaßen, sich die Brust abschnitten, um besser mit dem Bogen schießen zu können, und Männerkillerinnnen oder männerhassende Jungfrauen waren. In der Neuzeit kam ein weiteres Bild hinzu, nämlich das der Lesben.

Reitervolk und eine Amazoneninsel

Wer waren nun diese Skythen? Die Skythen waren ein nomadisches Reitervolk, die rund um das Schwarze Meer in der heutigen Ukraine und bis hin in die Mongolei lebten. Sie waren in kleineren Gruppen organisiert und auf jeden einzelnen Menschen angewiesen. Somit war es hinderlich, strikte Rollenverteilungen zwischen den Geschlechtern zu haben.

Abgesehen von Grabhügeln ist noch ein anderes Zeugnis erhalten geblieben: Am Schwarzen Meer befindet sich eine kleine Insel, Giresun Adası, die besser als Amazoneninsel bekannt ist. Dort befinden sich Ruinen eines Tempels, wo angeblich die Amazonen Tieropfer darbrachten, bevor sie in den Krieg zogen.

Offenheit für anderes und andere

Am Beispiel der Amazonen lässt sich gut erkennen, wie schnell etwas Fremdes die eigene Welt bzw. das eigene Weltbild stören kann. Übrigens erging es den Römern ähnlich, sobald sie sich einer kämpfenden Frau gegenüberstanden, was beispielsweise im Fall der Boudica oder der Zenobia dokumentiert wurde.

Je mehr Kontakt wir zu dem Unbekannten haben, desto weniger müssen wir phantasieren, und das hält die Dämonen auf Abstand, die der wichtigste Brennstoff für Rassismus sind.

  • Aus: Vom Schweden, der die Welt einfing und in seinem Rucksack nach Hause brachte, 2018, S. 10, von Per J. Andersson.

Wie offen gehen wir heute mit unbekannten Lebensformen oder Kulturen um? Sind wir wirklich an Diversität interessiert, oder macht Konformität das Leben für viele Menschen einfacher, inklusive Abstempelung all jener, die aus dieser Norm herausfallen?

Literaturhinweis:

  • Mayor, Adrienne. 2014. The Amazons: Lives and Legends of Warrior Women across the Ancient World. Princton University Press.

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