Philosophie

Philosophisches Quartett I

Philosophisches Quartett I

Sie gehört zu den bedeutendsten Philosophinnen des 20. Jahrhunderts und zu den größten Philosophinnen aller Zeiten - Elizabeth Anscombe (1919-2001). Mit ihr beginnt eine vierwöchige Reise zu vier bemerkenswerten Frauen, die wichtige Beiträge zur Philosophie leisteten.

Vier große Philosophinnen, vier einflussreiche Denkerinnen, vier Freundinnen in Oxford - das waren Elizabeth Anscombe und ihre drei Mitstreiterinnen Philippa Foot, Mary Midgley und Iris Murdoch. Sie waren in doppelter Hinsicht Außenseiterinnen: Zum einen waren sie Frauen, die in einem durch und durch männlichen Beruf, der Philosophie an der Universität, Fuß fassten. Zum anderen vertraten sie eine Ethik, die so gar nicht zu der ihrer männlichen Zeitgenossen zu passen schien.

Vom neugierigen Kind zur Studentin in Oxford

Elizabeth Anscombe wurde in Irland geboren, wo ihr Vater in der britischen Armee diente. Später kehrte die Familie nach England zurück. Elizabeth Anscombe war ein neugieriges und belesenes Kind und begann früh, sich intensiv mit theologischen Fragen zu beschäftigen.

Als Jugendliche konvertierte sie zum römisch-katholischen Glauben und begann sich für Philosophie zu interessieren. In Oxford studierte sie Klassische Altertumswissenschaften und Antike Philosophie. Obwohl sie versuchte, ihren Glauben von ihrer philosophischen Arbeit zu trennen, schimmerte der Katholizismus gelegentlich durch, etwa wenn sie sich vehement gegen Abtreibung aussprach.

Erst Schülerin, dann Nachfolgerin von Ludwig Wittgenstein

1942 wechselte sie an das Newnham College in Cambridge, wo sie den deutschen Philosophen Ludwig Wittgenstein (1889-1951) kennenlernte. Sie glaubte, dass der Besuch von Wittgensteins Vorlesungen sie aus der Falle des Phänomenalismus - wie sie es nannte - befreien könnte. Phänomenalismus ist eine philosophische Strömung, die besagt, dass Gegenstände nur so erkannt werden können, wie sie uns erscheinen, nicht aber, wie sie an sich sind. Elizabeth Anscombe war es auch, die Wittgensteins Philosophische Untersuchungen ins Englische übersetzte.

Es folgten ein Forschungsstipendium und ein Lehrauftrag in Oxford, bevor sie 1970 nach Cambridge zurückkehrte, wo sie auf den Lehrstuhl für Philosophie berufen wurde, den einst Wittgenstein innehatte. Als sie ihre Stelle antrat, erschien sie wie üblich in Hosen und wurde von den Herren mit der Frage begrüßt, ob sie die neue Putzfrau sei.

Über Atombomben und Kritik an Geschlechterkonventionen

Anscombe ging Kontroversen nicht aus dem Weg. In vielerlei Hinsicht verstieß sie gegen festgefahrene Geschlechterkonventionen. So nahm sie nicht den Namen ihres Mannes Peter Geach (1916-2013) an, der ebenfalls Philosoph war und mit dem sie sieben Kinder hatte. Auch trat sie meist in Männerkleidung auf, obwohl Frauen laut Universitätsordnung Röcke tragen mussten. Deshalb, so heißt es, hatte sie für alle Fälle immer einen Rock dabei, den sie kurzerhand über die Hose zog. Sie rauchte auch gerne Zigarren und fluchte gelegentlich nicht ganz damenhaft.

Als der ehemalige US-Präsident Harry Truman 1956 die Ehrendoktorwürde der Universität Oxford erhalten sollte, sprach sie sich öffentlich dagegen aus. Für sie war Truman ein Mörder, weil er mit den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki bewusst den Tod von Zivilisten in Kauf genommen hatte. Trotzdem wurde Truman in Oxford gefeiert. Anscombe schrieb daraufhin ihren Klassiker Absicht (Original: Intention, 1957).

Meilenstein der Handlungstheorie

Wenn jemand Unschuldige tötet, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, in diesem Fall die bedingungslose Kapitulation Japans, dann handelt es sich nach Anscombe immer um Mord. In ihrer Handlungstheorie ging es also um die Absicht, die hinter einer Handlung steht.

Anscombe kritisierte, dass Fehlverhalten oft damit entschuldigt werde, dass die Tragweite des Handelns nicht erkannt worden sei. Dem hielt sie entgegen, dass jeder Mensch für die schlechten Folgen seiner schlechten Handlungen verantwortlich sei. Wer eine schlechte Tat begeht, die irgendwelche gute Folgen mit sich bringt, hat nichts Gutes getan, sondern es bleibt eine schlechte Handlung.

Dabei ist die Absicht nicht etwas, das dem bloßen Verhalten “hinzugefügt” wird, etwas, das wir irgendwie separat konzeptualisieren. Vielmehr ist die Ordnung der Absicht von Anfang an in die Art und Weise, wie wir unser Leben gestalten, eingebettet.

Bedeutende Philosophin

Anscombe behandelte ein ungewöhnlich breites Themenspektrum: die gesamte Geschichte der Philosophie von der Antike bis zur Moderne, Metaphysik, Erkenntnistheorie, Sprachphilosophie, Philosophie des Geistes bzw. Psychologie, Handlungsphilosophie, Moralphilosophie, politische Philosophie und Religionsphilosophie.

Der Umfang ihres Werkes ist beeindruckend. Sie dachte systematisch, sah und entwickelte Zusammenhänge zwischen verschiedenen philosophischen Disziplinen, wie Metaphysik, Moralpsychologie und Ethik. Da ihre Schriften jedoch erst relativ spät ins Deutsche übersetzt wurden und zudem schwer zu lesen sind, ist sie im deutschsprachigen Raum bis heute eine wenig bekannte Philosophin - leider.

Literaturhinweise:

  • Anscombe, G. E. M. 2011. Absicht. Suhrkamp.
  • Anscombe, G. E. M. 2014. Aufsätze. Suhrkamp.
  • Lipscomb, Benjamin J. Bruxvoort. 2021. The Women are Up to Something: How Elizabeth Anscombe, Philippa Foot, Mary Midgley, and Iris Murdoch Revolutionized Ethics. Oxford University Press.
  • Mac Cumhaill, Clare & Rachael Wiseman. 2022. The Quartet: Wie vier Frauen die Philosophie zurück ins Leben brachten. C.H.Beck.
  • Teichmann, Roger. 2011. The Philosophy of Elizabeth Anscombe. Oxford University Press.