Pionierinnen

Vögel ohne Nest

Vögel ohne Nest

Was für ein Skandal! Im Jahre 1889 veröffentlichte Clorinda Matto de Turner ihren Roman Vögel ohne Nest (Original: Aves sin nido), in dem sie gegen Scheinheiligkeit und den Zölibat anschrieb, die politischen Machthaber kritisierte und sich für die indigenen Bewohner ihres Heimatlandes Peru einsetzte.

Erster indigenistischer Roman & Sympathie für Frauen

Clorinda Matto de Turner schrieb in ihrem Roman über vaterlose Kinder - Vögel, die kein richtiges Nest haben. Die beiden Hauptfiguren sind solche Vögel ohne Nest, die mit der Zeit herausfinden, dass sie die unehelichen Kinder eines Priesters und somit Halbgeschwister sind. Die geplante Hochzeit platzt.

Viel gravierender war jedoch die Kritik an den weltlichen und kirchlichen Würdenträgern, an ihrer Korruption und Heuchelei. Demgegenüber wurden die indigenen Gruppen und vor allem die Frauen mit großer Sensibilität und Sympathie beschrieben. Das war unerhört in einer konservativen, patriarchalisch geprägten Gesellschaft!

Keine Ärztin aber Frau eines Arztes

Clorinda Matto de Turner wurde in Peru geboren und wuchs auf der Hacienda ihres Vaters auf. Dort kam sie früh in Kontakt mit der indigenen Bevölkerung und lernte auch deren Sprache - Quechua.

Sie besuchte zunächst die Schule, musste diese jedoch im Alter von zehn Jahren abbrechen, da ihre Mutter starb und sie sich fortan um ihre jüngeren Geschwister kümmern musste. Ihr großer Traum war es, in den USA Medizin zu studieren. Doch ihr Vater erlaubte nicht ihr, sondern ihrem Bruder, Medizin zu studieren.

Im Alter von 19 Jahren heiratete sie den englischen Arzt Joseph Turner. Doch schon nach zehn Jahren starb er, und Clorinda Matto de Turner wurde von Anwälten und Richtern um den Großteil ihres Vermögens gebracht.

Schriftstellerin, Verlegerin & Feministin

Clorinda Matto de Turner begann ihren Lebensunterhalt als Schriftstellerin zu bestreiten. 1884/1885 wurde sie Chefredakteurin der Tageszeitung La Bolsa. Auch schrieb sie Theaterstücke und verschiedene Erzählungen.

Dann erschien ihr Roman Vögel ohne Nest. Es folgte der Roman Wesensart (Original: Ìndole). Auch in ihrem zweiten Buch beschrieb sie den nicht allzu zölibatären Lebenswandel der Priester in Peru und die direkten Konsequenzen für die Frauen.

In ihrem dritten Roman Erbe (Original: Herencia) schrieb sie unverblümt über weibliche Sexualität. Das war zu viel für das konservative, patriarchalisch und kirchlich geprägte Peru. Sie setzte noch einen drauf und ließ in der von ihr herausgegebenen Zeitschrift El Perú Ilustrado eine Erzählung veröffentlichen, in der ein Schriftsteller behauptete, Jesus habe sich sexuell zu Maria Magdalena hingezogen gefühlt. Clorinda Matto de Turner wurde daraufhin exkommuniziert.

Über Frauenthemen diskutieren

Nachdem 1895 ihr Haus geplündert wurde, verließ sie das Land und ging nach Argentinien. Auch dort arbeitete sie für verschiedene Zeitungen und engagierte sich in der Frauenbewegung. Sie unternahm Reisen nach England, Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien, um über Frauenthemen zu diskutieren.

Sie starb 1909 im Exil in Buenos Aires, wurde aber erst 1924 vom peruanischen Kongress rehabilitiert. Ihr Leichnam wurde nach Peru überführt.

Literaturhinweis:

  • Karnofsky, Eva und Barbara Potthast. 2012. Mächtig, mutig und genial. Vierzig Außergewöhnliche Frauen aus Lateinamerika. Berlin: Rotbuch Verlag.