Anfang des 20. Jahrhunderts stellte die österreichische Philosophin Rosa Mayreder einen Zusammenhang zwischen männlicher Sexualität und Machtdemonstration, zwischen Krieg und Vergewaltigung fest. Ihre Beobachtungen sind bis heute aktuell und weltweit anwendbar.
Dennoch wird dieser Aspekt der Geschichte oft verdrängt. Doch weltweit bilden sich Organisationen, die Frauen, die Gewalt überlebt haben, eine Stimme geben wollen. Eine dieser Organisationen ist The Story Kitchen, die von der Nepalesin Jaya Luintel mitbegründet wurde.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist in Nepal weit verbreitet. Darunter fallen beispielsweise Kinderheirat, häusliche Gewalt, Gewalt im Zusammenhang mit der Mitgift, Menschenhandel und Vergewaltigung. Die Ursachen sind komplex und liegen in sozialen, kulturellen und religiösen Normen begründet.
So ist das Staatsbürgerschaftsrecht des Landes geschlechtsspezifisch, die Identität einer Frau leitet sich vom Vater ab. Diskriminierende Gesetze machen Frauen zum Eigentum des Mannes. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Frauen in Nepal auch wirtschaftlich weitgehend abhängig sind, da Männer den Großteil des Besitzes erben und kontrollieren.
Als Jaya Luintel 1999 ihre Arbeit als Radiojournalistin in Nepal begann, fiel ihr schnell auf, dass die Frauen, die sie interviewte, keine eigenen Träume hatten. Wovon der Vater oder Ehemann träumte, das war auch für sie gut, danach sehnten sich auch die Frauen.
Jaya Luintel begann, den Frauen im Radio eine Stimme zu geben. Sie wollte, dass Frauen ihre eigenen Träume haben. Sie wollte, dass Frauen in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Sie wollte, dass ihre Geschichten aufgezeichnet werden und ihre Erfahrungen Teil der Geschichte Nepals werden.
Von 1996 bis 2006 herrschte in Nepal Bürgerkrieg. In dieser Zeit wurden viele Verbrechen an der Bevölkerung begangen, auch an Frauen. Doch das patriarchale System, ob Staat oder Familie, wollte diese Geschichten nicht hören. Die Frauen sollten und sollen weiterhin schweigen.
Eine Kombination aus enormer sozialer Stigmatisierung der Opfer sexueller Übergriffe und Angst vor Vergeltung hat viele Frauen davon abgehalten, die Verbrechen anzuzeigen. Vor diesem Hintergrund entstand das gemeinnützige Projekt The Story Kitchen, Jaya Luintel ist eine der Mitbegründerinnen.
The Story Kitchen sammelt Geschichten von Frauen, die gewaltsame Übergriffe während des zehnjährigen bewaffneten Konflikts in Nepal überlebt haben. Geschulte Frauen, die selbst Gewalterfahrungen gemacht haben, zeichnen die Geschichten auf.
The Story Kitchen versteht sich als Raum, in dem Herstory geschrieben wird. Herstory meint hier die weibliche Perspektive auf Geschichte, im Gegensatz zur männlichen Perspektive, die in der Geschichtsschreibung meist Eingang fand und findet.
Es geht nicht darum, die Frauen zu beschämen oder erneut zu verletzen, indem man sie fragt: ,,Naa, was hast du so erlebt?'' Es geht vielmehr darum, ihnen eine Plattform zu geben, das mitzuteilen, was sie mitteilen wollen. Gleichzeitig können sie auch psychologische und medizinische Hilfe in Anspruch nehmen.
Literaturhinweise:
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