Pionierinnen

Pilotenschein Nr. 115

Pilotenschein Nr. 115

“Fliegen ist notwendig. Leben nicht.” - Das waren die letzten Worte, die Melli Beese auf einem Blatt Papier hinterließ, bevor sie sich im Alter von 39 Jahren das Leben nahm.

Amelie Hedwig Boutard-Beese (1886-1925), genannt Melli Beese, kämpfte einst hartnäckig für ihren Traum vom Fliegen. Später wurde ihr diese Leidenschaft zum Verhängnis. Doch von Anfang an …

Unkonventionelle Wege

Melli Beese stammte aus gutem Hause, ihr Vater war Architekt. Sie genoss eine solide Ausbildung. Töchter aus gutem Hause waren damals dazu bestimmt, gute Mütter und Haushälterinnen in anderen guten Häusern zu werden. Aber sie war das einzige Kind ihrer Eltern, wurde früh in ihren Talenten gefördert und durfte ihren eigenen Weg gehen.

Damals durften Frauen in Deutschland noch nicht studieren und so studierte sie Bildhauerei an der Königlichen Kunstakademie in Stockholm. Während ihres Studiums las sie über die Gebrüder Wright und das Fliegen. Sie fing Feuer, das sich zu einer lebenslangen Leidenschaft entwickeln sollte.

Sie wusste - Fliegen lernen war ihr Lebensziel. So kehrte sie 1910 nach Deutschland zurück und hörte am Dresdner Technikum Vorlesungen in Mathematik, Schiffbau und Flugmechanik - als Externe, nicht als reguläre Studentin.

Ernsthaft?! - Fliegende Frauen?

Berlin war damals eine Hochburg der Luftfahrt. Tollkühne Männer zeigten ihr Können. Als Melli Beese sich bei den Albatros-Flugwerken als Schülerin bewarb, wurde sie abgewiesen - man habe noch keine Erfahrung mit weiblichen Schülern, und man könne sie daher nicht aufnehmen.

Die Flugschule “Ad Astra” in der Schweiz nahm sie auf. Die extrem teure Ausbildung wurde von den Eltern finanziert. Bei ihrem zweiten Übungsflug stürzte sie ab und brach sich den Knöchel. Sie erhielt Morphin - der Beginn einer langen Sucht. Ihr Lehrer sah sich bestätigt, dass Frauen in diesem Bereich nichts zu suchen hätten und weigerte sich, sie weiter zu unterrichten.

Sie wechselte den Ausbilder und schloss 1911 einen Vertrag bei den Rumpler-Werken ab. Doch ihre männlichen Kollegen und zum Teil auch die Lehrer waren wenig begeistert - eine fliegende Frau? Sie sabotierten, was das Zeug hielt: verrußte Zündkerzen, kurzfristig entleerte Tanks - jedes Mittel schien recht, damit sie die Prüfung nicht bestand.

Doch die Saboteure hatten die Rechnung ohne Melli Beese gemacht. Während alle anderen auf einer Flugveranstaltung waren, organisierte sie externe Zeugen und bestand ihre Pilotenprüfung. An ihrem 25. Geburtstag erhielt sie den Pilotenschein Nr. 115 - somit war sie die erste deutsche Pilotin.

Von der Flugpionierin zur Staatsfeindin

1912 gründete sie ihre eigene Flugschule, die Flugschule “Melli Beese” in Berlin-Johannisthal. Mitbegründer war unter anderem der Franzose Charles Boutard. Außerdem konstruierte sie eigene Flugzeuge und meldete mehrere Patente an, wie etwa für ein zerlegbares Flugzeug.

Ein Jahr später heiratete sie ihren Mitbegründer, den Franzosen Charles Boutard, und beschloss, die französische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Ein Jahr später brach der Erste Weltkrieg aus. Deutsche und Franzosen standen sich als Todfeinde gegenüber. Und so wurde die gebürtige Deutsche mit französischer Staatsbürgerschaft schnell zur Staatsfeindin.

Das war mit vielen Hürden und Hindernissen verbunden: Ihr Vermögen wurde beschlagnahmt, Flugzeuge für Kriegszwecke eingesetzt. Charles Boutard wurde verhaftet, Melli Beese unter Arrest gestellt. Nach dem Ersten Weltkrieg waren beide finanziell ruiniert, aber sie hatten überlebt.

Hoffnungslosigkeit

Um ihre Fluglizenz zu erneuern, musste sie einen Testflug absolvieren. Sie stürzte ab. Das war nicht der einzige Absturz: In dieser Zeit ging auch ihre Ehe in die Brüche.

Es war das Jahr 1925, Melli Beese war tief depressiv und litt noch immer unter ihrer Morphiumsucht. Im Alter von 39 Jahren nahm sie sich das Leben und hinterließ eine letzte Botschaft auf einem Zettel: “Fliegen ist notwendig. Leben nicht.”

Literaturhinweise:

  • Probst, Ernst. 2010. Melli Beese: Die erste deutsche Fliegerin. GRIN Verlag.
  • Zegenhagen, Evelyn. 2007. “Schneidige deutsche Mädel”: Fliegerinnen zwischen 1918 und 1945. Wallstein.

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