Geschichtsschreibung

Variablen der Geschichte

Variablen der Geschichte

Über bunte Menschengeschichte, einseitige Diäten und ein Licht im Dunkel - eine etwas andere Weihnachtsgeschichte.

Weihnachten gilt als das Fest der Hoffnung und der Fülle. An Weihnachten erhellen Lichter die dunkle, kalte Nacht. Weihnachten steht auch für Besinnlichkeit und für eine Zeit, über das eine oder andere nachzudenken - vorausgesetzt natürlich, dass wir uns die Zeit dafür zugestehen.

In diesem Beitrag geht es um eine Hoffnung, dass jeder als Mensch angesehen und als solcher respektiert wird. Es geht um eine Fülle in Form von Diversität und Toleranz, Achtsamkeit und Ehrlichkeit, Wohlwollen und Fairness - auch jenen gegenüber, die keine Lobby haben oder weniger laut schreien…

Menschengeschichte - nicht nur als Weihnachtstraum

Was heute noch vielfach als Geschichte präsentiert wird, ist eine Geschichte des reichen, mächtigen und weißen Mannes. Dabei wurden einfache Menschen, Frauen, farbige Menschen (people of color) oder Menschen, die auf ihre Art anders waren, zu Randgruppen. Häufig wurden -und werden noch heute- diese Randgruppen einfach übersehen oder übergangen. Wenig ist von ihnen erhalten geblieben, wenig wurde dazu niedergeschrieben.

Die Frage, wer oder was als wirklich und echt angesehen wird, ist anscheinend eine Frage des Wissens. Sie ist aber auch, wie Foucault klarmacht, eine Frage der Macht.

  • Die Macht der Geschlechternormen und die Grenzen des Menschlichen, 2011 [2009], S. 49-50, von Judith Butler.

Häufig sind die Erfahrungen von Frauen für die Nachwelt nicht erhalten geblieben. Was passiert allerdings, wenn Geschichte neu gewertet wird, etwa durch den Blick von Frauen? Was passiert, wenn Frauen in die Geschichte und die Geschichtsschreibung zurückgebracht werden, so wie es beispielsweise die Historikerin Joan Kelly (1928-1982) forderte?

Frauen in die Geschichte zurückbringen

Joan Kelly brach mit der traditionellen Geschichtsschreibung und ermutigte andere, die historische Periodisierung durch die Linse der Erfahrungen von Frauen neu zu bewerten.

Alles fing damit an, dass sie die gesellschaftliche Rollen der Frauen der Renaissance untersuchte. Dabei stellte sie fest, dass sich die historische Erfahrung von Frauen von der der Männer unterschied. Während sich die Möglichkeiten der Männer während der Renaissance erweiterten, traf für Frauen das Gegenteil zu.

Deshalb warb Joan Kelly dafür, Frauen in die Geschichte zurückzubringen und gleichzeitig Frauen Geschichte zurückzugeben. Wenn von einem Teil der Gesellschaft auf die Gesamtheit einer Bevölkerung geschlossen wird, so kann kein adäquates Bild entstehen. Dann handelt es sich um einen Auszug und zeitgleich um einen Ausschluss von zahlreichen weiteren Aspekten und Perspektiven. Das gilt nicht nur für die Renaissance, sondern für alle Epochen.

Herausfordernde Quellenlage & einseitige Diäten

Wie so oft erschwert die Quellenlage ein solches Unterfangen. Wer entschied, wer oder was niedergeschrieben und auf welche Weise Ereignisse und Persönlichkeiten dargestellt wurden? Genau – meist waren es privilegierte Männer.

Eine Hauptursache philosophischer Krankheiten – einseitige Diät: man nährt sein Denken mit nur einer Art von Beispielen.

Dabei gibt es keinerlei Garantie, dass sich alles genau so abspielte, wie es verschriftlicht wurde. Wer kann genau überprüfen, ob der Inhalt der schriftlichen Zeugnisse nicht nachträglich idealisiert oder beschönigt wurde, um gewisse Personen etwa in ein besseres Licht zu rücken?

Ein Licht im Dunkeln der Nacht

Dennoch ist es möglich, Menschengeschichte bis zu einem gewissen Grad zu rekonstruieren. Wenn schriftliche Quellen fehlen, helfen bildliche Darstellungen, Ausgrabungen oder generell Funde jeglicher Art. Diese bringen teilweise ungeahnte Möglichkeiten ans Licht.

Dadurch konnte beispielsweise Licht in ein Wikingergrab gebracht werden, das anfangs als Paradebeispiel eines männlichen Kriegers galt, dann aber als Grab einer Kriegerin entlarvt wurde. Auch konnten in der Gesellschaft fest verankerte Mythen enttarnt werden, wie etwa der Mythos, dass Frauen in Urzeiten die Sammlerinnen waren und Männer die Jäger. Mittlerweile gilt als erwiesen, dass Frauen sehr wohl gejagt haben - Geschlechterrollen sind dann doch nicht immer sooo eindeutig, wie das gelegentlich suggeriert wird.

Wie dem auch sei - Geschichte hilft uns, die Gegenwart besser zu verstehen. Unsere eigene Geschichte ist mit all jenem verwoben, was bereits war. Wir sind ein Teil der Geschichte, genauso wie die Geschichte ein Teil von uns ist. Menschengeschichte zu schreiben bleibt zwar eine Herausforderung, aber eine spannende. In diesem Sinne - lasst die Welt bunt erstrahlen..!

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