Klischees

Frauen der Ottonen

Frauen der Ottonen

Wer sich mit dem Mittelalter beschäftigt, gewinnt schnell den Eindruck, dass Frauen keine bedeutende Rolle gespielt haben. Frauen waren für den Nachwuchs zuständig und dem Mann untergeordnet - so das gängige Bild, das vor allem von der Kirche propagiert wurde. Doch es gab eine Zeit, in der mehrere mächtige Frauen auftraten: die Zeit der Ottonen.

Man darf aber nicht vergessen, dass damals die Ständegesellschaft für Männer wie für Frauen galt: Je nachdem, in welchen Stand man hineingeboren wurde, hatte man Chancen auf Macht oder eben nicht. Die Frauen, die zu einflussreichen Akteurinnen wurden, entstammten zumeist der Oberschicht.

Dynastie der Ottonen

Die Ottonen, eine einflussreiche Dynastie des europäischen Mittelalters, waren ein sächsisches Herzogsgeschlecht, das zu Königen und später zu Kaisern aufstieg. Sie nannten sich nicht selbst Ottonen, sondern erhielten diesen Namen erst nachträglich, da drei mächtige Herrscher den Namen Otto trugen: Vater (Otto I.), Sohn (Otto II.) und Enkel (Otto III.).

Unter der Herrschaft der Ottonen nahmen Frauen zunehmend an politischen Entscheidungsprozessen teil. In der Zeit der drei genannten Ottos traten nach und nach vier Frauen auf die Bühne der hochmittelalterlichen Mächtigen, die ihre Zeit entscheidend mitgestalteten: Mathilde, Edgith, Adelheid und Theophanu.

Mathilde - Kaiserinmutter & Schwiegermutter Europas

Mathilde (um 896- 968) war die Gemahlin Heinrichs I. und damit die Mutter Ottos I. Durch ihre geschickte Heiratspolitik, bei der sie ihre Kinder zum Teil mehrfach mit den Großen des europäischen Adels verheiratete, wurde sie auch die Schwiegermutter Europas genannt.

Ihr Mann hatte ihr bereits vor seinem Tod ein sogenanntes Witwengut zugesprochen. Dies sollte später zu Streitigkeiten zwischen ihr und ihrem Sohn Otto I. führen. Ottos Gemahlin, Königin Edgith, soll dabei eine wichtige Rolle gespielt haben. Schließlich erhielt Mathilde die Güter zugesprochen. Nachdem ihr Sohn Otto I. in Rom zum Kaiser gekrönt wurde, stieg sie zur Kaiserinmutter auf.

Edgith - Gemahlin des Otto I.

Edgith (910-946) stammte aus England. Die Heirat verfolgte ein politisches Ziel, nämlich die Legitimation der noch jungen Königsherrschaft der Liudolfinger, wie die Ottonen damals genannt wurden, durch die Heirat mit der angelsächsischen Königsfamilie zu stärken. Durch die Verbindung mit dem angelsächsischen Königshaus in England sollte also das Ansehen und der Machtanspruch in Europa gefestigt und ausgebaut werden.

Nach dem Tod ihres Schwiegervaters Heinrich I. bestieg ihr Mann Otto I. den Thron und wurde in Aachen zum König gekrönt. Als Königin übernahm sie nun wichtige Aufgaben im Reich: Sie kümmerte sich um das Ansehen des Hauses und taucht immer wieder in Urkunden auf. Auch als Vermittlerin zwischen ihrer Schwiegermutter und ihrem Mann trat sie in Erscheinung.

Adelheid - Mitkaiserin & Retterin der Dynastie

Nach dem frühen Tod Edgiths war Otto I. Witwer und heiratete nach etwa fünf Jahren erneut - die angesehene Adelheid. Adelheid (931-999) war wohl eine der mächtigsten Frauen im damaligen Europa. Ein Jahr nach der Hochzeit gebar sie den Thronfolger Otto II.

Adelheid übernahm wichtige Aufgaben im Reich. Entgegen der traditionellen Frauenrolle mischte sie sich aktiv in die Politik ein. Sie sprach mit der Regierung, war in der Kanzlei anwesend, taucht in zahlreichen Urkunden auf und war auch eine wichtige Dolmetscherin für ihren Mann.

All dies wirkte sich positiv auf das Image ihres Mannes aus. So verhalf sie ihm zur Kaiserwürde, wurde zur Mitkaiserin gekrönt und avancierte damit zur bedeutendsten weiblichen Persönlichkeit des 10. Jahrhunderts.

Sie war auch maßgeblich an der Erziehung ihres Sohnes Otto II. beteiligt, für den sie lange Zeit die wichtigste Beraterin in allen Fragen war.

Theophanu - Beraterin & Regentin

Otto II. war mit der Nichte des byzantinischen Kaisers, Theophanu (um 960-991), verheiratet. Auch sie bewies großes Geschick als Beraterin und Mitregentin. Nach dem Tod Ottos II. traten die beiden Frauen gemeinsam in den Vordergrund der Reichspolitik: Adelheid und Theophanu gelang es, den erst dreijährigen Thronfolger Otto III. vor einer Intrige zu retten.

Theophanu starb jung und so wurde Adelheid alleinige Vormundin für ihren noch unmündigen Enkel Otto III. Doch mit Diplomatie und Geschick konnte sie sich durchsetzen und so ihrem Enkel die Krone sichern.

Mächtige Frauen

Als Ehefrauen des Herrschers übernahmen die Frauen der Ottonen nicht nur Gebär- oder Repräsentationsaufgaben, nein, sie nahmen aktiv an den Regierungsgeschäften teil. Sie bewiesen zum Teil großes diplomatisches Geschick und wurden auch in wichtigen Urkunden erwähnt. Sie waren mächtige Frauen ihrer Zeit, die dies auch nach außen zeigten.

Literaturhinweise:

  • Keiser, Bruno. 2009. Adelheid: Königin, Kaiserin, Heilige. Piper.
  • Keller, Hagen. 2001. Die Ottonen. Beck Verlag.
  • Nolte, Cordula. 2011. Frauen und Männer in der Gesellschaft des Mittelalters. Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
  • Schütte, Bernd. 1994. Untersuchungen zu den Lebensbeschreibungen der Königin Mathilde. Hahnsche Buchhandlung.
  • Suckale, Robert. 2001. Die mittelalterlichen Damenstifte als Bastionen der Frauenmacht. O. Schmidt.
  • Welzel, Petra. 2008. Kaiserin von Gottes Gnaden: Theophanu - der Roman ihres Lebens.Fischer-Taschenbuch-Verlag.
  • Zey, Claudia, Philippe Goridis & Sophie Caflisch (Hrsgg.). 2015. Mächtige Frauen? Königinnen und Fürstinnen im europäischen Mittelalter (11. - 14. Jahrhundert). Jan Thorbecke Verlag.