Pionierinnen

Erster Doktorgrad für eine Frau

Erster Doktorgrad für eine Frau

Als die mittelalterlichen Universitäten entstanden, durften sich nur Männer einschreiben. Schließlich, so der allgemeine Glaube, sollten sich die Frauen der “natürlichen Ordnung der Geschlechter” fügen und Ehefrau und Mutter sein. Die Frau galt dem Mann ohnehin als geistig und körperlich unterlegen.

Gelehrte Frauen, die es zu allen Zeiten gab, wurden daher gerne als unweiblich dargestellt. Dennoch gab es Frauen, die sich mehr Freiraum zur Selbstverwirklichung verschafften und durch ihre Lebensgeschichte Vorbild für andere Frauen waren. Eine solche Frau war Elena Lucrezia Cornaro Piscopia (1646-1684).

Das Wunderkind erwacht

Elena Lucrezia Cornaro Piscopia wurde als Tochter einer venezianischen Adelsfamilie geboren. Ihre Begabung wurde früh entdeckt und sie erhielt Unterricht in Latein und Griechisch.

Später kamen Arabisch, Französisch, Hebräisch und Spanisch hinzu. Neben den Sprachen studierte sie Grammatik, Musik, Mathematik, Astronomie, Theologie und Philosophie.

Lieber Bildung als frivole Gesellschaft

Ihr Vater präsentierte sie schon früh als Wunderkind und war stolz auf seine Tochter, mit der er sich in der Öffentlichkeit rühmen konnte. Elena Cornaro Piscopia hingegen interessierte sich sehr für die Wissenschaften, lehnte aber die venezianische Gesellschaft als frivol und abstoßend ab.

Unter dem Protest ihrer Eltern legte sie deshalb das Gelübde einer Oblatin ab. Damit wurde sie Mitglied einer Ordensgemeinschaft, in ihrem Fall der Benediktinerinnen, ohne jedoch im Kloster selbst zu leben. Diese Entscheidung ermöglichte es ihr, sich weiterhin intensiv ihren Studien und der Wissenschaft zu widmen, ohne eine Familie gründen zu müssen.

Erste Frau mit Doktorwürde

Im Jahr 1677 hielt sie an der Universität von Padua eine öffentliche Disputation, die großen Anklang fand. Daraufhin bemühten sich ihr Vater und einige Professoren um die Erlaubnis, sie zum Doktor der Theologie zu promovieren. Dies wurde ihr jedoch verwehrt, da man allgemein der Ansicht war, dass eine Frau in der Kirche zu schweigen habe.

Schließlich einigte man sich auf einen Kompromiss: Sie durfte in Philosophie promovieren, einem Fach, das den Kirchenvätern weniger verfänglich erschien. Ihr Thema war die aristotelische Logik.

Keine Gefahr für die bestehende Geschlechterordnung

Nachdem Elena Lucrezia Cornaro Piscopia 1678 als erste Frau an der Universität Padua promoviert hatte, verbreitete sich ihr Ruhm schnell über die Landesgrenzen hinaus. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Bewunderung für ihre Leistungen für “normale” Frauen unerreichbar blieb. Deshalb wurde sie in der Öffentlichkeit auch nicht als Problem für die Aufrechterhaltung der gewohnten Geschlechterordnung wahrgenommen, sondern als Einzelfall.

Bald war sie Mitglied verschiedener Akademien in ganz Europa und wurde von Gelehrten und Wissenschaftlern aus verschiedenen Ländern besucht. Elena Cornaro führte zahlreiche Disputationen, schrieb, korrespondierte, übersetzte und widmete sich ihren Wissenschaften. Sie starb im Alter von 38 Jahren.

Literaturhinweise:

  • Guernsey, Jane Howard. 1999. The Lady Cornaro, Pride and Prodigy of Venice. New York: College Avenue Press.
  • Kalnická, Zdeňka. 2021. The First Woman Philosopher with a Doctorate: Elena Cornaro Piscopia. Studies in the History of Philosophy, 12.3, S. 97-121, DOI 10.12775/szhf.2021.016.
  • Maschietto, Francesco Ludovico. 1978. Elena Lucrezia Cornaro Piscopia (1646-1684), prima donna laureata nel mondo. Padova: Antenore.