Klischees sind wirklich hartnäckige Vorurteile … Obwohl wir es eigentlich besser wissen müssten, tappen wir Menschen immer wieder in die Klischeefalle und neigen zu Verallgemeinerungen. Eines dieser Klischees ist, dass Frauen generell viel reden, während Männer eher wortkarg sind.
Die Redewendung “Ein Mann - ein Wort” bedeutet, dass ein gegebenes Wort gehalten wird. Sie stammt aus der Ballade Pegasus im Joche von Friedrich Schiller. Während die Ballade heute nur noch wenigen bekannt ist, ist die Redewendung weit verbreitet.
Inzwischen gibt es eine Erweiterung der Redewendung: “Ein Mann - ein Wort. Eine Frau - ein Wörterbuch”. Gemeint ist: Männer reden wenig, Frauen reden viel. Doch stimmt das wirklich?
Das Klischee von den geschwätzigen Frauen und den wortkargen Männern schien 2007 durch eine Studie widerlegt. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass Frauen und Männer mit durchschnittlich je 16.000 gesprochenen Wörtern pro Tag etwa gleich viel reden.
Eine neuere Studie, die breiter angelegt war als die von 2007, revidierte dieses Ergebnis. Demnach sprechen Frauen sehr wohl mehr als Männer, allerdings vor allem im Alter zwischen 25 und 65 Jahren.
In dieser Lebensphase sprechen Frauen durchschnittlich 3000 Wörter pro Tag mehr als Männer. In den anderen Lebensphasen (bis 24 Jahre und ab 65 Jahre) sprechen Frauen und Männer im Durchschnitt etwa gleich viele Wörter pro Tag. Das Bild von der redseligen Frau stimmt also nur bedingt.
Wichtig ist, dass es sich jeweils um Durchschnittswerte handelt. Die Aussage, dass alle Frauen so viel und alle Männer entsprechend weniger sprechen, wird den individuellen Gegebenheiten auch nicht gerecht. Schließlich unterscheiden wir Menschen uns untereinander viel stärker, als es solche geschlechtsspezifischen Zuordnungen und Verallgemeinerungen gerecht werden.
Was haben Verallgemeinerungen, Schubladendenken und Vorurteile gemeinsam? Sie sparen Zeit. Wir müssen nicht ständig alles neu einordnen, abwägen, kategorisieren.
Aber sie haben auch einen großen Nachteil: Sie zeigen nur einen kleinen Aspekt, nicht das Ganze. Sie verleiten dazu, vorschnell zu urteilen, sich anderen Möglichkeiten zu verschließen.
Das gilt auch für die Frage, ob Frauen Quasselstrippen und Männer Schweiger sind. Frei nach dem Sprichwort “Reden ist Silber, Schweigen ist Gold”.
Ob es allerdings sinnvoller ist generell zu schweigen als zu reden, hängt sehr von der Situation ab. Manchmal wäre sogar mehr Reden als Schweigen besser, aber auch das ist eine Frage des persönlichen Empfindens.
Schweigen kann manchmal wohltuend sein, aber es kann auch wie Blei auf einem lasten. Es macht daher wenig Sinn, kategorisch zu behaupten, das eine sei besser als das andere - Reden oder Schweigen.
Was allerdings auffällt: Mit der Zunahme der digitalen Medien nimmt das gesprochene Wort von Jahr zu Jahr ab - bei Männern wie bei Frauen. Laut Studie werden es pro Jahr 300 Wörter weniger, unabhängig von Geschlecht.
In diesem Zusammenhang ist allerdings zu bedenken, dass in den sozialen Medien, in den Kommentaren im Internet, das Motto “Reden ist Silber, Schweigen ist Gold” gelegentlich doch angebracht wäre - egal ob Mann oder Frau …
Literaturhinweise: