Mexiko zur Zeit der lateinamerikanischen Kolonialherrschaft und des hispanischen Barocks: Eine Frau sticht heraus, regt öffentliche und kirchliche Debatten an. Wer war sie?
Die geniale, mutige und intelligente Juana de Asbaje y Ramírez, später Sor Juana Inés de la Cruz, organisierte ihre Ausbildung bereits im Kindesalter selbst. Schon bald zeichnete sie sich durch eine enorme Gelehrsamkeit aus, die sie der Kirche zum Dorn im Auge werden ließ - Frau und Bildung? Pfui!
Die spätere Sor Juana wurde in einem Dorf in der Nähe des Vulkans Popocatépetl, der unweit der heutigen Mexiko-Stadt liegt, geboren. Ihre Eltern waren nicht verheiratet, was offenbar keine Brandmarkung für unehelichen Kinder darstellte, obwohl dies auch in der kolonialen Welt als Moralbruch galt.
Auf den Ländereien ihres Großvaters hatte Juana Zugang zu einer großen Bibliothek, in der sie ihren Wissensdurst stillen konnte. Ihre Familie förderte dies anfangs wohl nicht, Mädchen durften sich allenfalls mit frommen Texten beschäftigen.
Bei der Erkenntnis spielt das Geschlecht keine Rolle.
Die Welt, in der Juana lebte, kannte männliche Werte und Maßstäbe. Doch Juana setzte sich durch. Sogar Latein lernte sie weitgehend autodidaktisch. Mit etwa sechs Jahren wurde sie zu einer Tante in die Hauptstadt geschickt, um Naturwissenschaften zu lernen. Dort schrieb sie auch ihre ersten Theaterstücke und Gedichte.
Doch die Familie fürchtete, ihre Gelehrsamkeit könnte ihr um die Ohren fliegen. Eine gebildete Frau, die sich auch in den Naturwissenschaften zu Hause fühlte? Das kam nicht gut an! Dennoch gelang es, sie am Hof einzuführen.
Mit 17 Jahren wurde sie in das Gefolge des Vizekönigs aufgenommen. Der wiederum war von ihrer Gelehrsamkeit so beeindruckt, dass er Wettbewerbe mit Professoren verschiedener Wissenschaften, darunter auch der Mathematik, veranstalten ließ. Fazit: Juana überzeugte! Geschützt durch die höfische Atmosphäre und den persönlichen Schutz des Vizekönigs konnte Juana ungestört ihren Studien nachgehen.
Mit etwa 19 Jahren trat sie dann ins Kloster ein. Zuerst war sie bei den Barfüßigen Karmelitinnen, dann bei den Hieronymiten. Da sie nicht heiraten wollte, schien ihr das Kloster die beste Wahl zu sein. Sie hoffte, dort ungestört studieren zu können.
Anfangs ging diese Rechnung auf und sie legte in ihrer Zelle eine beeindruckende Bibliothek an, sammelte wissenschaftliche Instrumente zur Vermessung der Natur und verfasste verschiedene Schriften.
Doch dann sollte sie mit ihren Studien aufhören. Sor Juana setzte sich vehement für das Recht aller Frauen auf Bildung ein und begründete dieses Recht sehr lebhaft. Dabei verstand sie es, sich gängige Rollenbilder von Frauen zunutze zu machen.
Ach, was könnte ich Euch, Herrin, von den Naturgeheimnissen erzählen, die ich beim Kochen entdeckt habe? Da kann man beobachten, daß ein Ei, das man in Schmalz und Öl brät, zusammenbäckt, wohingegen es in Sirup zerläuft und zu Fetzen wird. […] Und wenn ich so meine Beobachtung an solchen Sächelchen mache, sage ich mir: >Hätte Aristoteles gekocht, dann hätte er noch viel mehr geschrieben<.
Nach langen Auseinandersetzungen und Debatten gab Sor Juana schließlich nach und verkaufte alle Bücher und Messgeräte, die nicht von religiöser Bedeutung waren. Kurz darauf starb sie während einer Pestepidemie.
Doch sie lebt weiter und gilt heute als Ikone Mexikos. Seit 1993 wird jährlich ein Literaturpreis an spanisch schreibende Autorinnen vergeben, der nach Sor Juana benannt ist: der Premio Sor Juana Inés de la Cruz. Schließlich war sie eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen der spanischen Kolonialzeit und die erste Feministin der Neuen Welt, die ihre Thesen veröffentlichte. Das Kloster, in dem sie studierte und schrieb, wurde zu einem Zentrum für höhere Bildung. Ihr Porträt ist auch auf einer mexikanischen Banknote zu sehen.
Literaturhinweise: