Philosophie

Weltweisheit für Frauenzimmer

Weltweisheit für Frauenzimmer

Philosophin der Aufklärung und Trägerin des Dichterkranzes: Wie Johanna Charlotte Unzer (1725-82) versuchte, Frauen für Philosophie zu gewinnen.

Nun, da es Gleim im Scherz geschrieben,
Daß alle Mädchen Puppen wären;
Hält mancher uns im Ernst für Puppen,
Als wären wir für ihn gedrechselt.
Doch wißt, ihr stolzen Mädchenkenner,
Ihr kleinen Zwecke kleiner Puppen!
Als die Natur uns euch bestimmte,
Damit ihr mit uns spielen möchtet;
Sah sie euch an als kleine Kinder,
Die noch nicht unterscheiden können.

Johanna Unzer forderte alle Frauen auf, sich zu bilden. Dabei war sie zwischen Tradition und Gleichberechtigung, zwischen Aufbruch und Wogen glätten hin- und hergerissen. Frauen sollten sich nach ihrem Verständnis zwar bilden, allerdings den Bogen nicht überspannen oder gar Gelehrte werden.

Bildung & Philosophie für alle

Unzer sah keine intellektuellen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Laut ihr hatte die Natur Frauen und Männern mit denselben Fähigkeiten ausgestattet. Der Unterschied bestand allerdings darin, dass Frauen seltener ihre Kräfte für die Erlernung von Wissenschaften einsetzen würden. Dadurch entstand „der Vorzug des männlichen Geschlechts“, den sie als „bloße Mode“ bezeichnete. Diese Ausführungen ergänzte sie auf amüsante Weise:

Es ist wahr, es giebt Frauenspersonen, die zu nichts aufgelegt sind, als die Kühe zu melken; aber es giebt auch Mannspersonen, deren ganze Wissenschaft in Dreschen besteht.

Johanna Unzer war der Überzeugung, dass jeder ein Recht auf Bildung hätte. Ihr erstes Werk, Grundriß einer Weltweisheit für das Frauenzimmer, veröffentlichte sie im Jahr ihrer Hochzeit (1751), 1767 folgte die Zweitauflage. Mit diesem Werk sollten so viele Frauen wie möglich für die Philosophie begeistert werden. Durch die Verwendung von allseits bekannten Begriffen und Wörtern, erklärte sie Philosophie und deren Grundbegriffe in einer zugänglichen Art und Weise.

Macht der Sprache

Dabei war sie sich bewusst, welche Macht Sprache haben kann. Der richtige Gebrauch von Wörtern, um beim Gegenüber auch genau das Bild zu erschaffen, das sie erschaffen wollte, war ihr wichtig. Missverständnisse, wie sie auch im Alltag oft vorkommen, sollten durch eine sorgfältige Wortwahl vermieden werden.

Auf der Welt ist nichts zu finden.
Reichthum, Wollust, Ehre schwinden,
und uns bleibt, nach dem Genuß,
Ekel und Verdruß.

Umsonst such ich ein dauernd Glück
In allen Gütern dieses Lebens.
Sie fliehn zu schnell, und, ach! vergebens
Ruf ich, ermüdend, sie zurück.
  • Auszug aus: Die Ruhe, in: Versuch in sittlichen und zärtlichen Gedichten, 1766 [1754], S. 78, von Johanna Charlotte Unzer.
Dichterkrone

Die Universität Helmstedt verlieh Unzer im Jahre 1753 die Dichterkrone, machte sie also zur kaiserlich gekrönten Dichterin. Vor ihr hatten erst zwei Frauen, Christiana Mariana von Ziegler und Sidonia Hedwig Zäunemann, diese Auszeichnung erhalten.

Dabei tratt sie im Gegenzug zu Ziegler und Zäunemann für eine gemäßigtere Form der Gleichberechtigung ein. Beide Geschlechter hätten dieselben Voraussetzungen, beide Geschlechter sollten sich bilden, aber Frauen sollten den Bogen dann doch nicht all zu weit spannen.

Zu Lebzeiten hatte Unzer eine beachtliche Leserschaft. Doch wie so viele Frauen geriet sie nach ihrem Tode schnell in Vergessenheit.

Denn, wenn der Tod mit seiner starken Hand
Die Stolze faßt, den zarten Leib umspannt,
Und ungeachtet der Zierde, die ihn schmücket,
Das Auge schließt, das rege Herz erdrücket;
So nimmt den Leib der Moder in sein Haus,
Und überzieht die schöne Haut mit Graus;
  • Auszug aus: Gedanken über die Verwesung, in: Versuch in sittlichen und zärtlichen Gedichten, 1766 [1754], S. 33, von Johanna Charlotte Unzer.

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Literaturhinweise:

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