Geschichtsschreibung Klischees

Von wegen natürliche Rollenverteilung

Von wegen natürliche Rollenverteilung

Männer waren Jäger, Frauen Sammlerinnen. Ein Bild, das gerne als Erklärung für eine natürliche Rollenverteilung herangezogen wird, das so aber nicht stimmt.

Seit Generation wird im Unterricht das Bild vermittelt, dass Männer schon immer als Jäger und Häupternährer galten. Frauen hingegen waren Sammlerinnen, die sich um den Nachwuchs kümmerten. Beschrieben wird das als natürliche Rollenverteilung. Dabei kann schon seit längerem belegt werden, dass Frau und Mann in der Steinzeit gleichberechtigt zusammenlebten.

Gleichberechtigte Jäger*innen

In der Steinzeit fand die Jagd in Gruppen statt, um den Erfolg zu erhöhen. Dabei wurden alle gebraucht, Männer und Frauen. Ein Zusammenspiel der Geschlechter war überlebenswichtig. Abgesehen davon - warum sollte das Jagen wichtiger sein als das Sammeln? Schließlich ernährten beide Tätigkeiten die Gruppe.

Steinzeitliche Knochenfunde legen nahe, dass Männer und Frauen ebenbürtig zusammenlebten. Frauen waren in der Steinzeit überaus kräftig und der Jagd durchaus gewachsen. Die Aufgaben wurden in der Gruppe geteilt und nicht nach Geschlechter unterteilt. Somit waren Männer nicht immer das sogenannte starke und Frauen automatisch das schwache Geschlecht.

Geschlechtsspezifische Ernährung

Dann wurde das Klima kälter und instabiler, Naturkatastrophen nahmen zu. Damit begann wohl die geschlechterspezifische Ernährung: Männer erhielten vom fetten Braten, während Frauen hauptsächlich Gemüse und Getreide zu sich nahmen. Das hatte zur Folge, dass Frauen im Vergleich zu den Männern kleiner blieben und schwächer wurden.

Als das Klima wieder stabiler wurde, änderte sich die Rollenverteilung erneut zu Ungunsten der Frauen. Menschen, die vorerst als Nomaden umherzogen, wurden allmählich sesshaft. Durch den Getreideanbau stand für den Nachwuchs Brei zur Verfügung, wodurch sich die Stilldauer verkürzte. Dadurch konnten Frauen häufiger schwanger werden, was eine höhere körperliche Belastung für sie darstellte. Das schwächte die Frauen weiter ab. Frauen wurden immer mehr Gefangene ihres Haushalts.

Besitz und Neid

Gleichzeitig stärkte eine andere Entwicklung die Rolle der Männer: Durch die Sesshaftigkeit entstand eine Vorstellung von Besitz. Das war der Startschuss für eine kriegerische Zeit. Jene, die wenig besaßen, beneideten diejenigen, die Besitz hatten. Und diejenigen, die Besitz angehäuft hatten, mussten diesen vor Angreifern schützen. Die männliche Kraft, die den Besitz anhäufte und verteidigte, gewann an Bedeutung.

Weltbild kritisch überdenken

Steinzeitliche Knochenfunde und Grabbeigaben aus verschiedenen Regionen der Welt belegen, dass Frauen und Männer gleichberechtigt lebten und schließlich gleichberechtigt bestattet wurden. Demnach gab es ursprünglich keinen sozialen Unterschied zwischen Frau und Mann. Das vermeintliche Bild vom männlichen Jäger und der sammelnden Frau als angeborene Gegebenheit oder natürliche Selbstverständlichkeit ist somit überholt.

Literaturhinweise:

  • Röder, Brigitte (Hg.). 2014. Ich Mann. Du Frau. Feste Rollen seit Urzeiten? Freiburg i.Br.: Rombach Verlag.
  • Sénécheau, Miriam, Silviane Scharl und Christina Kempcke-Richter. 2011. „Archäologie im Schulbuch. 10 Jahre DGUF-Arbeitskreis und das Beispiel der Jungsteinzeit in Schulbüchern,“ IN: Jutta Meurers-Balke und Werner Schön (Hg.): Vergangene Zeiten…LIBER AMICORUM. Gedenkschrift für Jürgen Hoika. Bonn: Habelt, S. 241–258.