Frauenrollen

Gekrönte Dichterin

Gekrönte Dichterin

Christiana Mariana von Ziegler (1695-1760), Autorin der Deutschen Frühaufklärung und Gesellschaftskritikerin, hebte in ihren Werken selbstbewusst die Ebenbürtigkeit der Geschlechter hervor.

Christiana von Ziegler wurde in eine gutbürgerliche Familie in Leipzig geboren. Anfangs bestritt sie einen typischen Weg eines Mädchens aus gutem Hause: Sie heiratete jung, bekam ein Kind. Jedoch verstarb ihr Mann noch im selben Jahr.

Erneut ging sie den Bund der Ehe ein und gebar ein weiteres Kind. Doch das Familienglück hielt auch diesmal nur für kurze Zeit. Beide Kinder und ihr zweiter Ehemann verstarben. So tragisch diese Umstände waren, so bescherten sie ihr doch ein finanziell unabhängiges Leben.

Treffpunkt für Denker und Musiker

Das Haus von Christiana von Ziegler wurde zu einem Treffpunkt für Intellektuelle und Musiker. Sie wurde Mittelpunkt eines Salons, in dem unter anderem Johann Sebastian Bach verkehrte. Er war von ihren schriftstellerischen Fähigkeiten angetan, vertonte neun Kantaten aus ihrer Feder.

Auch brachte sie eigenständige Schriften heraus, wie etwa Versuch in Gebundener Schreibart (2 Bde. 1728/9) und Moralische und Vermischte Send=Schreiben (1731). Ihre pointierte Art, mit der Unterdrückung der Frauen umzugehen und für eine Ebenbürtigkeit der Geschlechter einzutreten, zeigt sich in ihren Gedichten:

Ihr rühmt das günstige Geschicke,
Das euch zu ganzen Menschen macht;
Und wißt in einem Augenblicke
Worauf wir nimmermehr gedacht.
Allein; wenn wir euch recht betrachten,
So seyd ihr schwächer als ein Weib.
Ihr müßt oft unsre Klugheit pachten,
Noch weiter als zum Zeitvertreib.

Kommt her, und tretet vor den Spiegel:
Und sprechet selbst, wie seht ihr aus?
Der Bär, der Löwe, Luchs, und Igel
Sieht bey euch überall heraus.
Vergebt, ich muß die Namen nennen,
Wodurch man eure Sitten zeigt.
Ihr mögt euch selber wohl nicht kennen,
Weil man von euren Fehlern schweigt.

Ein weiterer Gast ihres Salons und Förderer ihrer Kunst war der Literat und Philosoph Johann Christoph Gottsched. Er nahm Christiana von Ziegler als erstes weibliches Mitglied in der Deutschen Gesellschaft, einer Literaturgesellschaft, auf.

Christiana von Ziegler war überzeugt, dass Frauen und Männer die gleichen Fähigkeiten und Begabungen für Wissenschaften und Künste hätten. Nur wurde den Frauen der Zugang dazu entweder erschwert oder generell verwehrt. Frauen würden als Schriftstellerinnen sogar ein reineres und natürlicheres Deutsch verwenden als Männer, die hochgestobene akademische Schriften verfassten.

Gesellschaftlich zugewiesener Bewegungsradius

Diese Ansichten waren geradezu skandalös. Frauen wurden damals weitgehend von der Öffentlichkeit ausgeschlossen, ihr zugewiesener Platz war in der Familie und im Hintergrund.

Die Männer müssen doch gestehen,
Daß sie wie wir, auch Menschen sind.
Daß sie auch auf zwey Beinen gehen;
Und daß sich manche Schwachheit findt.
Sie trinken, schlafen, essen, wachen.
Nur dieses ist der Unterscheid,
Sie bleiben Herr in allen Sachen,
Und was wir thun, heißt Schuldigkeit.

Der Mann muß seine Frau ernähren,
Die Kinder, und das Hausgesind.
Er dient der Welt mit weisen Lehren,
So, wie sie vorgeschrieben sind.
Das Weib darf seinen Witz nicht zeigen:
Die Vorsicht hat es ausgedacht,
Es soll in der Gemeine schweigen;
Sonst würdet ihr oft ausgelacht.

Christiana von Zieglers Talent blieb nicht unbemerkt. Im Jahre 1733 verlieh ihr die Universität Wittenberg die Dichterkrone. Sie wurde also eine poeta laureata, eine gekrönte Dichterin. Als erste Frau wurde sie mit dieser Ehre ausgezeichnet. Beim eigentlichen Festakt durfte sie aber nicht anwesend sein – Frauen hatten schließlich keinerlei Zutritt zu universitären Zeremonien.