Klischees Frauenrollen

Zenobia

Zenobia

Wie eine antike, arabische Herrscherin das Alte Rom herausforderte, europäische Künstler unterschiedlicher Epochen inspirierte und zum Symbol der arabischen Frauenbewegung wurde.

Zenobia lebte im dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung in der Oasenstadt Palmyra, einem wichtigen Knotenpunkt entlang einer antiken Karawanenstraße im heutigen Syrien. Nach dem Tod ihres Mannes übernahm sie die Herrschaft über Palmyra und somit über den römischen Orient, einem Gebiet von Kleinasien bis nach Ägypten. Als Zenobia ihren Machtbereich immer weiter ausdehnte, sah sich der römische Kaiser Aurelian (214-275) gezwungen, gegen sie in den Krieg zu ziehen. Dabei verfolgten beide Seiten mit ihren Gebietsansprüchen vor allem wirtschaftliche Interessen.

Irritation der Männerwelt

Die Tatsache, dass ein römischer Kaiser gegen eine orientalische Frau in den Krieg zog, war ungewöhnlich. Wie rühmlich war es aus römischer Perspektive, eine ausländische Frau zu besiegen? Eine Frau, die damals erfolgreich regierte und ihr Reich ausdehnte, war allerdings ein Dorn im Auge Roms.

Gemäß der damaligen literarischen Tradition beschrieben römische Geschichtsschreiber herrschende Frauen deshalb abwertend. Ihnen wurden gar dämonische Züge angedichtet, um eine plausible Erklärung für ihr Verhalten zu finden. Wie so häufig musste alles in ein bestehendes Weltbild passen oder passend gemacht werden.

Frau mit männlichen Eigenschaften

Vielleicht wurde Zenobia genau aus diesem Grund ambivalent beschrieben, als eine Mischung zwischen Frau und Mann. Einerseits wurde sie als würdige Gegnerin Roms dargestellt, um den Kampf gegen sie zu legitimieren. Gleichzeitig war eine weibliche Herrscherin aus römischer Sicht eine Grenzüberschreitung des weiblichen Spielraumes.

In der Historia Augusta, einer Sammlung römischer Herrscherviten, kommt diese Ambivalenz gut zum Ausdruck: Zenobia wurde als Frau charakterisiert, die in ihrem Feldherrenmantel sehr männlich aussah, trinkfest und marschtauglich war, aber weiblichen Schmuck trug. Ihr Aussehen wurde als überaus schön und weiblich beschrieben, jedoch fiel ihre männliche, tiefe Stimme auf. Männliche Eigenschaften wurden weiblichen Attributen gegenübergestellt.

Inspirationsquelle für Künstler

Zenobia wurde zur Inspirationsquelle europäischer Künstler: Ihr Leben wurde von Dichtern wie Boccaccio (1313–1375) oder Petrarca (1304–1374) aufgegriffen, Dramen wurden geschrieben, Opern komponiert, Gemälde angefertigt und Filme gedreht.

Bemerkenswert ist Giovanni Boccaccio‘s Sammlung berühmter Frauen der Antike und des Mittelalters. Dieses Werk, De mulieribus claris, das im 14. Jahrhundert verfasst wurde, enthält Informationen über 106 Frauen. Auch Zenobia findet sich in dieser Sammlung, in der sie als positives Beispiel einer Frau, Königin und Kriegerin angeführt wurde.

Symbol der emanzipierten, arabischen Frau

Zenobia wurde in der arabischen Welt zum Symbolbild der emanzipierten Frau. Schließlich war sie eine starke, arabische Frau, die ihren Weg ging und als unerschrockene Kämpferin mutig genug war, gegen das mächtige Rom zu kämpfen.

Dieses Bild einer mächtigen und gebildeten Frau passt nun gar nicht in das Weltbild des Islamischen Staates (IS), der Terrormiliz, die Palmyra 2015 besetzte. Anhänger des IS zerstörten viele kulturhistorische Zeugnisse und Denkmäler, die von der einstigen Blüte und vom Einfluss anderer Kulturen und Religionen gezeugt hatten. Und trotzdem - die Erinnerung an Zenobia bleibt.

Literaturhinweis:

  • Wieber, Anja. 2000. „Die Augusta aus der Wüste – die palmyrenische Herrscherin Zenobia,“ In: Thomas Späth, Beate Wagner-Hasel (Hg.): Frauenwelten in der Antike. Geschlechterordnung und weibliche Lebenspraxis. Stuttgart: Verlag J.B. Metzler, S. 281–310.