Geschichtsschreibung

Gedenke meiner …

Gedenke meiner …

Gedenke meiner … schrieb Anne Boleyn (c.1500-1536) einst in ihr Stundenbuch, ihr Gebets- und Andachtsbuch, das ihr täglicher Begleiter war. Ob sie damals ahnte, dass ihr Mann sie aus der Geschichte streichen wollte?

Der König will Anne Boleyn

Anne Boleyn traf Heinrich VIII., als der bereits eine Affäre mit ihrer Schwester hatte. Auch war er zu diesem Zeitpunkt mit seiner ersten Frau Katharina von Aragon verheiratet. Heinrich VIII. verliebte sich in Anne Boleyn, die jedoch nicht bereit war, seine Mätresse zu werden.

Aus dieser Zeit sind 17 Liebesbriefe Heinrichs an Anne erhalten, in denen er um ihre Gunst fleht. Doch Anne Boleyn lehnte ab, bis er ihr die Ehe versprach. Einziges Problem: Der Papst wollte seine Ehe mit Katharina von Aragon nicht annullieren.

Doch Katharina von Aragon hatte Heinrich nicht den ersehnten Thronfolger geschenkt. Mit Anne Boleyn erhoffte er sich mehr Glück. Da der Papst sich weiterhin weigerte, seine bestehende Ehe zu annullieren, erließ Heinrich VIII. ein Gesetz, in dem er sich als König von England gleichzeitig zum Oberhaupt der Kirche erklärte. Damit war die anglikanische Staatskirche gegründet und die Abspaltung vom Papst vollzogen.

Geburt von Elizabeth I.

1533 heiratete Heinrich seine Anne. Bei der Krönungszeremonie war Anne Boleyn bereits deutlich sichtbar schwanger. Die Enttäuschung des Königs war jedoch schon bald groß, denn Anne Boleyn gebar eine gesunde Tochter, die spätere Elisabeth I., aber nicht den ersehnten Sohn.

Zunächst sollen sie dennoch eine harmonische Ehe geführt haben. Doch in den Folgejahren hatte Anne Boleyn Fehlgeburten - den ungeduldig erwarteten männlichen Thronfolger konnte sie Heinrich VIII. nicht schenken.

Die Frau muss weg

Nach der zweiten Fehlgeburt verschlechterte sich die Beziehung zwischen den Eheleuten. Heinrich VIII. wählte bereits seine nächste Frau. Um sich jedoch von ihr trennen und seine Nachfolgerin heiraten zu können, musste Anne Boleyn aus dem Weg geräumt werden.

Sie wurde beschuldigt, ein sexuelles Verhältnis mit ihrem eigenen Bruder gehabt zu haben. Gemeinsam wollten sie - so die Anklage - den König töten. Anne Boleyn wurde zum Tode verurteilt.

Am 19. Mai 1536 wurde Anne Boleyn zum Schafott geführt. Von ihrem Mann, König Heinrich VIII., als Verführerin und Ehebrecherin angeklagt, wartete sie auf ihren Tod. Für die Vollstreckung des Urteils ließ der König eigens einen Henker kommen, der für seine saubere und präzise Arbeit bekannt war.

Neue Erkenntnisse

Erst vor wenigen Jahren entdeckte die Studentin Kate McCaffrey das als verschollen geltende Stundenbuch der Anne Boleyn. Das Besondere daran: Anne Boleyn hatte Notizen in das Buch geschrieben, die erst durch UV-Licht sichtbar wurden und so eindeutig Anne Boylen zugeordnet werden konnten.

Gedenke meiner, wenn du betest, dass die Hoffnung dich von Tag zu Tag leite.

  • Anne Boleyn, handschriftliche Notiz in ihrem Stundenbuch.

Anhand der Notizen in diesem Buch konnte rekonstruiert werden, wie das Buch den Versuch Heinrichs VIII. überlebte, Anne Boleyn aus der Geschichte zu streichen. Ein Netzwerk von Frauen, die das Buch nach Anne Boleyns Sturz in Sicherheit brachten, konnte es retten. Es wurde von Generation zu Generation weitergegeben, von der Mutter an die Tochter, an die Nichte usw., und hat so die Jahrhunderte überdauert.

Heute liefert es neue Erkenntnisse über eine Frau, die einst aus der Geschichte verschwinden sollte. Das Netzwerk von Frauen, die das Stundenbuch heimlich bewahrten, wird als mutig interpretiert, da eine Entdeckung wohl als Hochverrat an der Krone gedeutet worden wäre.

Literaturhinweise:

  • Hui, Roland. 2023. Anne Boleyn, an Illustrated Life of Henry VIII’s Queen. Pen & Sword Books Limited.
  • Norton, Elizabeth. 2011. Anne Boleyn: In Her Own Words & the Words of Those who Knew Her. Amberley.
  • Patrick, Leslie. 2024. Das Erbe der Anne Boleyn. IN: National Geographic, März 2024, S. 50-53.