Geschichtsschreibung

Frauen und Geschichte

Frauen und Geschichte

Sind Frauen unbedeutend, unsichtbar und vergessen? Ein Blick in die Geschichtsschreibung legt das nahe. Stimmt so aber nicht.

Männer schreiben Geschichte

Wer entscheidet, welche Ereignisse und Persönlichkeiten in die Geschichtsschreibung aufgenommen werden? Wer bestimmt, an wen sich die Nachwelt erinnern darf und wer vergessen wird? Denke ich an meinen eigenen Geschichtsunterricht zurück, so hatte es den Anschein, als wäre Geschichte männlich und folglich die Welt hauptsächlich von Männern besiedelt.

Männer schrieben Geschichte und zwar in doppelter Hinsicht. Erstens leisteten sie Großes oder zettelten Schreckliches an, wie etwa vernichtende Kriege. Durch ihre jeweiligen bemerkenswerten oder abschreckenden Taten waren sie es, die schließlich Einzug in die Geschichtsbücher hielten. Dadurch wurde –und wird noch heute– kontinuierlich an sie erinnert, egal ob bewundernd oder abwertend.

Zweitens waren es meist Männer, die die Geschichten zu Papier brachten und somit wortwörtlich Geschichte schrieben. Dabei wurden weibliche Perspektiven und Errungenschaften erfolgreich ausgeblendet.

Wäre manch erfolgreiche Frau ein Mann gewesen, würde ihr Name in Geschichtsbüchern stehen?

Das nennt sich männliche Geschichtsschreibung. Leider wird dabei die andere Hälfte der Bevölkerung, die Frauen, häufig ignoriert und schließlich vergessen. Die britische Autorin und Aktivistin Caroline Criado-Perez schreibt in ihrem Buch:

Frauen werden nicht gesehen, und man erinnert sich nicht an sie, weil Daten über Männer den Großteil unseres Wissens ausmachen. So erscheint alles Männliche als allgemeingültig. […] So sind Frauen dafür prädestiniert, vergessen zu werden.

  • In: Unsichtbare Frauen, 2020, von Caroline Criado-Perez.

Über Jahrtausende hindurch verfassten hauptsächlich Männer schriftliche Zeugnisse. Durch die Reproduktion oder das Weglassen von Wissen sorgten sie dafür, dass weibliche Autorinnen und Pionierinnen schnell wieder vergessen wurden.

Mutige, scharfsinnige und ambitionierte Frauen

Dabei ist die Menschheitsgeschichte voll von wagemutigen und cleveren Frauen, die jenseits der Küchenwände oder des Wochenbetts Erfolge erzielten. In jeder Epoche gab es Frauen, die etwas entdeckten, wagten oder leisteten, was vorher noch keinem Menschen gelungen war. Diese Frauen legten gesellschaftliche Normen beiseite und bestritten neue Wege – ihre eigenen Wege.

Unzählige Frauen warten förmlich darauf, wiederentdeckt zu werden. Und es lassen sich zahlreiche beeindruckende Frauen finden, wenn nur ein wenig danach gesucht wird. Dabei kann nur spekuliert werden, wie viele von ihnen durch die männliche Geschichtsschreibung bereits für immer vergessen wurden.

Frauen UND Männer machen Geschichte

Es ist an der Zeit, die Geschichte von einer anderen, weiblichen Perspektive neu zu denken – ohne dabei Männern ihre Erfolge klein zu reden oder gar abzusprechen. Männer haben Großartiges geleistet, Frauen auch. Männer schaffen den Sprung ins Geschichtsbuch, Frauen eher in die Vergessenheit.

Wünschenswert wäre eine Geschichtsschreibung des Menschen, bei der der Mensch nicht mit Mann gleichgesetzt wird, und eine Frau nicht Übermenschliches leisten muss, um die Beachtung und Würdigung zu finden, die ihr als Mensch und Persönlichkeit zustehen würde.

Literaturhinweis:

  • Paletschek, Sylvia. 2007. „Historiographie und Geschlecht,“ IN: R. Johanna Regnath (Hg.): Eroberung der Geschichte: Frauen und Tradition. Hamburg: LIT-Verlag, S. 105-127.