Pionierinnen Philosophie

Philosophie der Freiheit

Philosophie der Freiheit

Für Gleichheit und gegen Diskriminierung: Vor etwa 700 Jahren lebte in Kashmir die Dichterin, Mystikerin und Rebellin Lal Ded, die mit ihren Versen die Region bis heute prägt.

Kashmir, einst ein Knotenpunkt entlang der historischen Seidenstraße, liegt im vorderen Himalaja. Dort trafen die unterschiedlichsten Sprachen, Kulturen, Religionen und Weltanschauungen aufeinander und beeinflussten sich gegenseitig.

Dieses Gebiet war öfters Schauplatz von Konflikten und Kriegen. Das ist selbst heute noch so: Einige Gebiete Kashmirs werden von Indien, andere von Pakistan und weitere von China kontrolliert.

Zeit des Umbruchs

Zur Lebenszeit Lal Ded’s, im 14. Jahrhundert, fanden sich in der Region buddhistische, hinduistische und islamische Einflüsse. Verschiedene Konfliktparteien trafen aufeinander: Es war eine Zeit des blutigen Machtwechsels, wo sich der islamische Einfluss durchsetzte. Das brachte für die Gesellschaft, die vorher hauptsächlich hinduistisch geprägt war, Veränderungen mit sich.

Lal Ded schaffte es jedoch, bei den Anhängern all dieser Religionen einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Mit ihren zeitlosen Versen stand sie über den religiösen und gesellschaftlichen Konflikten.

Auf ihre eigene Art rebellierte Lal Ded friedlich gegen die organisierte Form von Religion. Zudem trotzte sie patriarchalischen Mustern in Gestalt von religiösen Obrigkeiten.

Philosophie der Freiheit

Lal Ded steht für eine Philosophie der Freiheit und einer Verbindung großer Religionen. Freiheit galt für sie als wichtige Voraussetzung, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen und sich selbst zu verwirklichen. Das sind Ziele, die von vielen Menschen auch heute angestrebt werden.

Dabei stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten zur Freiheit wir heute überhaupt haben. Es bleibt zu bedenken, welche gesellschaftlichen Selbstverständlichkeiten, Hierarchien oder Erwartungen uns an Freiheit hindern. Schlussendlich bleibt zu klären, wie wir diese Hürden überwinden können. Über all diese aktuellen Fragen dachte Lal Ded bereits vor rund 700 Jahren in Kashmir nach.

In Lal Ded‘s Versen, die gut 600 Jahren ausschließlich mündlich überliefert wurden, kritisiert sie also die Gesellschaft und bestehende Normen. Für sie waren alle Menschen gleich, egal welchem Geschlecht, Glauben oder welcher Kaste sie angehörten. Schließlich unterscheidet die Sonne auch nicht, auf welchen Kopf sie scheine und auf welchen nicht.

Mutig und selbstbewusst

Lal Ded wurde, wie damals in Kashmir üblich, mit zwölf Jahren verheiratet. Laut Überlieferung war es eine unglückliche Ehe, in der Lal Ded von ihrer Schwiegermutter immer wieder schikaniert wurde. Aber sie ließ sich nicht unterkriegen und widmete sich früh ihrer spirituellen Entwicklung.

In ihren Mittzwanzigern verließ Lal Ded ihre Familie und widmete sich endgültig ihrer geistigen Verwirklichung. Auf ihrer geistigen Reise wurde sie von buddhistischen, shivaistischen (hinduistischen) und islamischen Lehren beeinflusst.

Sprache des Volkes

Lal Ded war die erste Person, die Gedichte in Kashmiri, der gesprochenen Sprache, schrieb. Männliche Gelehrte bevorzugten die Gelehrtensprache Sanskrit – so wie Latein als Gelehrtensprache in Europa verwendet wurde. Nur verstand das einfache Volk diese Sprache nicht.

Lal Ded gab jedem Menschen die Möglichkeit, über religiöse und philosophische Themen nachzudenken. Sie verfasste ihre Gedichte also in der gesprochenen Sprache und verwendete gut nachvollziehbare und verständliche Metaphern aus dem Alltag.

Offen adressierte sie alltägliche Herausforderungen und gab mit ihren Versen Mut. Sie verband die großen Religionen der Region -Buddhismus, Hinduismus und Islam- indem sie auf eine Art schrieb, die von allen aufgegriffen wurden und mit der sich jeder identifizieren konnte. Dadurch leistete sie einen wertvollen Beitrag zum kulturellen Erbe Kashmirs und gestaltete die Gesellschaft nachhaltig mit.

Literaturhinweise:

  • Kuszewska, Agnieszka. 2015. Lal Ded: Kashmiri rebel, saint-poetress and her legacy. Pakistan Vision 16.1, S. 1-20.
  • Lal Ded. 2013. I, Lalla. The Poems of Lal Ded. Ranjit Hoskote (Üb.). India Penguin Classics.