Pionierinnen

Ein so langer Brief

Ein so langer Brief

Mariama Bâ (1929-1981) war eine Pionierin der afrikanischen Literatur, vor allem was die Thematisierung der Frauen Afrikas betrifft. In ihren Werken kritisiert sie unter anderem die in der afrikanischen Tradition verankerte Ungleichheit zwischen Mann und Frau.

Bildung als Grundstein

Mariama Bâ wurde in Dakar, der Hauptstadt des westafrikanischen Senegal, geboren. Ihre Familie gehörte dem Volk der Lébou an. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter wuchs sie bei ihren Großeltern in einem traditionell muslimischen Umfeld auf.

Sie besuchte eine französische Schule, wo sie durch ihre hervorragenden Leistungen auffiel. Nach dem Erwerb des Lehrerdiploms im Jahr 1947 war sie zwölf Jahre lang als Lehrerin tätig, bis sie aus gesundheitlichen Gründen um eine Versetzung bat.

Für die Rechte der Frauen

Sie war mehrfach verheiratet und hatte insgesamt neun Kinder. Aufgrund der Erfahrungen in ihren Ehen engagierte sie sich in verschiedenen Frauenorganisationen, die sich für Bildung und Frauenrechte einsetzten. Zu diesem Thema hielt sie auch zahlreiche Vorträge und veröffentlichte Artikel in der Presse.

In ihren Schriften weist sie darauf hin, dass ihre Gesellschaft hin- und hergerissen ist zwischen importierten Lastern und dem erbitterten Widerstand alter Traditionen und Tugenden. Dies erschüttert die Gesellschaft in ihren Grundfesten. Als Schriftstellerin stellt sie die Stellung der Frau in diesen unterschiedlichen und konkurrierenden Perspektiven dar.

Pionierin der afrikanischen Literatur

Mariama Bâ gehört zu den Pionierinnen der afrikanischen und insbesondere der senegalesischen Literatur. Berühmt wurde sie mit ihrem ersten Roman Une si longue lettre (1979; deutsche Ausgabe: Ein so langer Brief, 1983).

In diesem Roman beschreibt sie die Ungleichheit zwischen Mann und Frau, das Kastensystem, die Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen, religiöse Überzeugungen, Bräuche und Rituale, insbesondere bei Beerdigungen. Sie geht auch auf die Polygamie ein, die sie als ein Problem darstellt, das die Gesellschaft durchdringt und die Frauen vielfach quält und verängstigt. Die Nebenfrauen sind oft im gleichen Alter wie die Kinder der älteren Ehefrau.

Es ist der Moment, den jede senegalesische Frau fürchtet, der Moment, in dem sie ihren Besitz als Geschenk an die Schwiegerfamilie opfert und, was noch schlimmer ist, über den Besitz hinaus ihre Persönlichkeit, ihre Würde aufgibt und zu einem Objekt im Dienste des Mannes wird, der sie geheiratet hat […].

  • Mariama Bâ. Übersetzung aus: So long a letter, 1989, S. 4.

In ihrem zweiten Roman Un chant écarlate (1981; deutsche Ausgabe: Der scharlachrote Gesang, 1984) thematisiert sie interkulturelle Ehen, familiäre Widerstände und die damit verbundenen Probleme:

Die Tochter eines französischen Diplomaten heiratet den Sohn einer armen muslimischen Familie im Senegal. Doch der gesellschaftliche Druck ist enorm, und die Liebe kann das auf Dauer nicht ausgleichen. Schließlich kehrt der Mann zu seinen Wurzeln zurück, während die Frau gedemütigt und isoliert wird. Das Werk entlarvt die Tradition von Chauvinismus und Tyrannei.

Internationale Anerkennung

Als Shoichi Noma, der damalige Präsident des größten japanischen Verlagshauses, den Noma-Preis für afrikanische Literatur ins Leben rief, wurden 120 Bücher eingereicht. Ziel der Ausschreibung war es, afrikanische Autoren zu fördern und ihre Sichtbarkeit zu erhöhen.

Der erste Preis ging 1980 an Mariama Bâ für ihren Roman Une si longue lettre. Zu diesem Zeitpunkt spielten Frauen in der afrikanischen Literatur kaum eine Rolle. Doch Mariama Bâ griff ein aktuelles Thema auf, dem die Herausgeber mehr Raum geben wollten: die islamische Frau in der modernen Gesellschaft mit all den damit verbundenen Problemen und Herausforderungen.

Literaturhinweise: