Wie oft entschieden die Eltern, wen ihre Tochter heiraten sollte? Dabei wurden die Frauen nicht immer um ihre Meinung gefragt. Gefühle oder Sympathien spielten keine Rolle. Vor allem in höheren Kreisen dienten Ehen häufig dazu, das Ansehen oder das Vermögen der Familie zu mehren. Doch was geschah, wenn eine Frau da nicht mitspielen wollte?
Ein Fall schockierte die Welt: Eine junge Frau wurde von ihrer Mutter 25 Jahre lang eingesperrt, weil sie sich in den „falschen” Mann verliebt hatte. Es ist das tragische Schicksal der Französin Marie Léonide Pauline Blanche Monnier, genannt Blanche Monnier (1849–1913).
Blanche Monnier wurde als Tochter einer einflussreichen französischen Aristokratenfamilie geboren. Die Familie war überaus wohlhabend und die Tochter wunderschön. Das waren ideale Voraussetzungen, um eine gute Partie zu machen und den idealen Ehepartner zu finden.
Doch Blanche Monnier verliebte sich in einen mittellosen Anwalt. Zudem war er Anhänger einer republikanischen Staatsform. Das passte nicht zu den royalistischen Ansichten ihrer Eltern. Die Familie war schockiert – das war definitiv keine Verbindung, die sie für würdig erachtete.
Die Mutter forderte Blanche Monnier auf, sich diesen Mann aus dem Kopf zu schlagen. Doch die Tochter war anderer Meinung, denn sie war verliebt. Da griff die Mutter zu einer radikalen Methode: Sie sperrte ihre Tochter in einen Raum im Obergeschoss und verbarrikadierte alle Fenster.
Blanche Monnier war von der Außenwelt komplett isoliert. Um ihre Gefangenschaft im elterlichen Haus zu vertuschen, erzählte ihre Familie der Öffentlichkeit, sie sei im Ausland.
Insgesamt verbrachte Blanche Monnier 25 Jahre ihres Lebens eingesperrt, manchmal angekettet, im Dunkeln, schlecht ernährt und von ihren eigenen Exkrementen umgeben.
Nur ein einziges Dienstmädchen hatte Zutritt zu diesem Raum. Nach Ende ihrer Dienstzeit erhielt sie für ihre Verschwiegenheit eine Goldmedaille für treue Dienste.
Als neue Dienstmädchen ins Haus kamen, fanden sie seltsame Dinge vor – sie hörten Schreie. Dann ging bei der Polizei ein anonymer Hinweis ein, dass im Haus etwas nicht mit rechten Dingen zugehe.
Als die Polizei den Raum betrat, bot sich den Beamten ein schreckliches Bild: Blanche Monnier wog weniger als 30 Kilogramm, war halb nackt und ihr Körper war mit einer dicken Schicht Dreck bedeckt. Überall lagen Fäkalien und Essensreste herum, und es wimmelte von Ungeziefer.
Blanche Monnier brachte nur einzelne Laute hervor. Sie wurde in ein Hospiz gebracht. Ihre Mutter erklärte, ihre Tochter sei psychisch krank und gewalttätig. Aus Sicherheitsgründen sah sie sich gezwungen, ihre Tochter dort unterzubringen.
Die Familie konnte nicht nachvollziehen, warum sich die Polizei plötzlich in ihre Angelegenheiten einmischte. Blanches Bruder gab an, sie hätte jederzeit gehen können. Zudem habe er seine Mutter gelegentlich darum gebeten, Blanche in eine Heilanstalt zu bringen. Diese habe jedoch aus Mitgefühl und Liebe zu ihrer Tochter abgelehnt.
Mutter und Bruder wurden festgenommen und angeklagt. Die Mutter verstarb wenige Tage nach der Verhaftung. Der Bruder konnte vor Gericht glaubwürdig darlegen, dass er nie aktiv am Wegsperren seiner Schwester beteiligt gewesen war. Er schob die Schuld dafür der verstorbenen Mutter und dem ebenfalls verstorbenen Dienstmädchen zu. Den Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung gab es damals noch nicht.
Was wurde aus Blanche Monnier? Sie erholte sich zeitlebens nicht von den körperlichen und psychischen Folgen ihrer Gefangenschaft. Sie wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen und starb dort im Alter von 64 Jahren.
Literaturhinweise:
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