Sie hatte ein Herz für Kranke und Verwundete, die unter erbärmlichen Bedingungen ausharren mussten. Sie scheute weder Kosten noch Mühen, um anderen zu helfen. Sie reiste sogar in Kriegsgebiete, um dort die Krankenpflege zu organisieren und damit vielen Menschen das Leben zu retten.
Die Rede ist von Florence Nightingale (1820-1910), einer Tochter der britischen Oberschicht, von der ihre Eltern erwarteten, dass sie gut heiraten und für Nachwuchs sorgen würde. Doch sie selbst hatte andere Pläne für ihr Leben.
Florence Nightingale wurde 1820 während einer Italienreise ihrer Eltern in Florenz geboren, wuchs aber im viktorianischen Großbritannien auf. Den Frühling und Sommer verbrachte sie mit ihren Eltern und ihrer älteren Schwester auf einem prächtigen Landsitz an der Südküste Englands.
Wie es sich für eine Tochter aus der Oberschicht gehörte, sollte sie früh lernen, ein braves, liebes und gehorsames Mädchen zu werden, das ihren Eltern Freude macht. Schließlich sollte sie später eine gute Ehefrau werden, ihrem Mann dienen und sich um Haus und Familie kümmern.
Doch mit dieser Rollenzuweisung tat sich Florence Nightingale schon als Kind schwer. Sie hatte ihre eigene Meinung, scheute sich nicht, sie zu äußern, und galt deshalb als frech.
Doch ihr Intellekt und ihre Neugier fielen auf. Ihr Vater unterrichtete sie deshalb in Chemie, Französisch, Griechisch und Mathematik - für ein Mädchen damals eher eine Ausnahme. Florence Nightingale soll das Wissen aufgesogen haben und manchmal um drei Uhr morgens aufgestanden sein, um zu lernen.
Ein geeigneter Heiratskandidat schien bald gefunden: der wohlhabende Politiker Richard Milnes. Doch gegen den Willen ihrer Eltern lehnte Florence Nightingale eine Heirat mit dem wohlhabenden Schriftsteller und Politiker Richard Milnes ab.
Sie begab sich auf Reisen und kam schließlich nach Kaiserswerth bei Düsseldorf in eine Einrichtung für Kranke und Bedürftige. Zwei Wochen lang half sie mit und notierte alles, was sie beobachtete. Später kehrte sie nach Kaiserswerth zurück, um mehr über die Krankenpflege zu lernen. Denn damals gab es in Großbritannien noch keine Ausbildung zur Krankenschwester.
Zurück in England übernahm sie die Leitung eines “Instituts für arme Damen” in London. Sie achtete auf die Bedürfnisse der Kranken und wurde schnell zur Expertin in Gesundheitsfragen.
Dann brach der Krimkrieg aus - Russland wollte seinen Einfluss ausweiten. Auf eigenen Wunsch reiste Florence Nightingale 1854 mit 38 Krankenschwestern in das Militärhospital Scutari im heutigen Istanbul in der Türkei.
Bestialischer Gestank, offene Wunden, halbverhungerte Soldaten, hygienische Missstände - sie ließ sich nicht beirren und baute eine Struktur auf, um die Soldaten besser zu versorgen. Von nun an wurde gelüftet, geschrubbt, Verbände regelmäßig gewechselt, Brühe gekocht und so weiter.
Da sie auch nachts, mit einer Lampe ausgerüstet, nach ihren Patienten sah, wurde sie als “Lady mit der Lampe” bekannt. Vor allem schaffte sie es, dass durch ihre Maßnahmen weit weniger Soldaten starben.
Zurück in England wurde sie als Heldin gefeiert. Ihre Erfahrungen hielt sie in Form eines Buches fest. Florence Nightingale erstellte auch komplexe Statistiken, in denen sie die Heilungsraten von Verwundeten unter verschiedenen Bedingungen erfasste. Dafür wurde sie 1858 als erste Frau in die Royal Statistical Society berufen. Außerdem wurde sie Ehrenmitglied der American Statistical Association.
Immer wieder wies sie darauf hin, wie wichtig es sei, Krankenhäuser und Lazarette so sauber wie möglich zu halten. Die Politiker hörten auf sie und nach und nach verbesserten sich die Zustände. Im Jahr 1860 gründete Florence Nightingale die erste Krankenpflegeschule in England, zahlreiche Schulen nach ihrem Vorbild folgten.
Krankenpflege ist keine Ferienarbeit. Sie ist eine Kunst und fordert, wenn sie Kunst werden soll, eine ebenso große Hingabe, eine ebenso große Vorbereitung, wie das Werk eines Malers oder Bildhauers. Denn was bedeutet die Arbeit an toter Leinwand oder kaltem Marmor im Vergleich zu der am lebendigen Körper, dem Tempel für den Geist Gottes?
Florence Nightingale hatte großen Einfluss auf den Schweizer Philanthropen Henry Dunant (1828-1910), der später das Rote Kreuz gründete. Sie gilt daher als Wegbereiterin des Roten Kreuzes.
Sie starb 1910 im Alter von 90 Jahren in London, wo heute ein Museum an sie erinnert. Florence Nightingale war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des viktorianischen Zeitalters und schon zu Lebzeiten eine weibliche Ikone. Noch heute ist sie eine Inspiration für Krankenschwestern auf der ganzen Welt.
Literaturhinweise: