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Stadt der Frauen

Stadt der Frauen

Frauen verdienen mehr Respekt! Wie die italienischstämmige Christine de Pizan in Paris zur ersten feministischen Autorin wurde - bereits im fünfzehnten Jahrhundert.

Christine de Pizan (c.1364-1430) ärgerte sich über die Geschlechterordnung und Rollenverteilung, begann darüber zu schreiben. Sie wurde die erste bekannte Frau, die von ihrer schriftstellerischen Tätigkeit leben konnte.

Bildung als Grundlage

Christine, die in Venedig geboren wurde, war Tochter eines Astrologen und Arztes, Tommaso da Pizzano, der nach Paris gerufen wurde, um am königlichen Hofe Karl V. (1338-1380) seine Erkenntnisse zu teilen. In diesem intellektuellen Ambiente wuchs Christine auf.

Davon abgesehen erhielt sie von ihrem Vater Unterricht in verschiedenen Fächern. Später widmete sie sich intensiv der lateinischen und französischen Literatur.

Schicksalsschläge und Chancen

Gemäß der gängigen Gepflogenheit wurde Christine jung verheiratet, mit gerade einmal 15 Jahren. Mit ihrem Mann Étienne du Castel (1354–1390) hatte sie drei Kinder. Die ersten Ehejahre und ihre Rolle als Mutter empfand Christine als unbekümmertste und schönste Zeit ihres Lebens. Dann starb zuerst ihr Vater, wenige Jahre später auch ihr Ehemann.

Christine hatte nun ihre Kinder, ihre verwitwete Mutter und eine mittellose Nichte zu versorgen. Ohne Vermögen und mit diesem Anhang galt sie auf dem Heiratsmarkt als nicht vermittelbar.

Christine fällte den Entschluss, selbst die männliche Rolle als Familienoberhaupt zu übernehmen. Sie fügte sich nicht der traditionellen Rolle einer Witwe, die ein Leben als Außenseiterin führte, sondern bestritt einen individuellen Sonderweg: den einer Intellektuellen.

Sie suchte also nach einem Weg, die Familie selbst zu ernähren und begann zu schreiben. Die ersten zehn Jahre nach dem Tod ihres Mannes arbeitete sie wahrscheinlich als Kopistin. Dann wurden ihre eigenen Schriften erfolgreich. Christine war die erste Frau, die von dieser Tätigkeit leben konnte. Sie schrieb weltliche und religiöse Gedichte, biographische Schriften, politische Texte, Geschichtswerke und Streitschriften.

Selbstbewusst und erfolgreich

Christine war für ihre Zeit eine außergewöhnliche und selbstbewusste Autorin, die in ihren Schriften ganz selbstverständlich „je, Christine“ - also „ich, Christine“ - niederschrieb. Auch waren ihren Werken kunstvolle Miniaturbilder beigefügt, die sie selbst in verschiedenen Situationen -etwa lesend, lehrend oder schreibend- darstellten.

Dadurch gewährleistete sie, dass ihre eigene Person in Erinnerung blieb und vor allem, dass ihre Leserschaft sie als weibliche Autorin wahrnahm. Sie hatte den Mut, als Frau offen ihre Meinung zu teilen und wurde zudem zur Unternehmerin – und das als Frau im 15. Jahrhundert!

In ihren Schriften beklagte sie sich über die Schutzlosigkeit von Frauen und Witwen und vor allem über die schlechte und abwertende Darstellung von Frauen in der Literatur. Doch Christine begann eine literarische Gegenwehr, der zu einem Literaturstreit entbrannte.

Medienwirksamer Literaturstreit

Vor allem die Schriften des Jean de Meung (c.1240-1304) brachten sie auf die Palme. Sie hatte für seine frauen- und ehefeindlichen Argumente kein Verständnis. Er schrieb über die Sündhaftigkeit von Frauen, über ihre geistige Schwäche und darüber, dass Frauen nicht alleine imstande wären, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Frauen würden einzig und allein der Fortpflanzung dienen.

Im folgenden Literaturstreit standen sich zwei Lager gegenüber: die Befürworter de Meungs und seines frauenfeindlichen Bildes vs. Befürworter Christines und ihrer Kritik an de Meung. Dieser Streit wurde publikumswirksam in der Öffentlichkeit ausgetragen. Christine und ihre Argumentation machten sie dabei zur literarischen Unternehmerin: Sie erhielt lukrative Aufträge aus dem Adel, die ansonsten Männern vorbehalten waren.

Stadt der Damen

Dann fiel ihr ein weiteres Buch in die Hand: „Lamentationes Matheoli“ von Matthaeus von Boulogne (1260-1320). Dieses frauenfeindliche Werk inspirierte sie zu einem Gegenentwurf. Daraus entstand ihr bekanntestes Werk, das zugleich als erstes feministische Werk der Geschichte gilt: Das Buch von der Stadt der Damen - im Original: Le Livre de la Cité des Dames von 1405.

[Ich] fragte mich, welches der Grund, die Ursache dafür sein könnte, dass so viele und so verschiedene Männer, ganz gleich welchen Bildungsgrades, dazu neigten und immer noch neigen, in ihren Reden, Traktaten und Schriften derartig viele teuflische Scheußlichkeiten über Frauen und deren Lebensumstände zu verbreiten.

Christine beschrieb in ihrem Buch, wie ihr in diesem wütenden und verzweifelten Zustand drei weise Frauen erschienen: die Vernunft, die Rechtschaffenheit und die Gerechtigkeit. Diese Frauen trösteten Christine und ermutigten sie, eine Stadt der Frauen zu bauen.

In dieser Stadt sollten alle Frauen vor Verleumdungen und Hass geschützt werden. Als Baumaterial dieser Stadt dienten heldenhafte Frauen aus der Mythologie und Bibel, aus Geschichte und Gegenwart. Dadurch entstand sowohl ein Buch zur Verteidigung von Frauen als auch ein Lesebuch über berühmte Frauen.

Es geht ihr darum, Gerechtigkeit herzustellen und Frauen das Ansehen zu verschaffen, das ihnen von frauenfeindlichen Schriftstellern so lange vorenthalten wurde.

  • In: Geschlechtergeschichte, 2010, S. 164, von Claudia Opitz-Belakhal.

Christine strebte eine Rehabilitierung der Frauen an und wollte dadurch auch das Selbstwertgefühl von Frauen stärken. Sie empfand Frauen den Männern in jeder Hinsicht ebenbürtig. Außerdem hätten Frauen eine soziale Ader, wären liebevoller und hilfsbereiter mit Mitmenschen.

Lebensratgeber für Frauen

Nur kurze Zeit später veröffentlichte Christine Schatz von der Stadt der Frauen (Original: Le Trésor de la Cité des Dames, 1405). Darin gab sie Frauen aller Stände ganz konkrete Ratschläge zur aktiven Gestaltung ihres eigenen Lebens. Sie schrieb über den idealen Tagesablauf, Armenfürsorge, Personalführung, Buchhaltung und Heeresführung. Sie forderte die Frauen auf, ihr Leben und ihre Finanzen selbst in die Hand zu nehmen.

Christine de Pizan verfasste auch politische Schriften, wie das Buch des Friedens (Original: Livre de la paix, 1413). Es war eine unruhige Zeit in ihrem Heimatland, geprägt von Unruhen und Korruption. In diesem Buch legte sie ihre Sicht von Politik dar. Sie warb dafür, dass alle Regierungen einem strengen Moralkodex folgen sollten, anstatt Kriege zu führen. Zudem sah sie die Frau als Friedensstifterin, die durch sprachliche Gewandtheit und diplomatische Aktionen Kriege verhindern könnte.

Eine außergewöhnliche Frau

Christine de Pizan war eine außergewöhnliche Frau: Sie ordnete sich nicht der vorherrschenden Gesellschaftsnormen unter und ließ sich auch von mehreren Schicksalsschlägen nicht aus der Bahn werfen. Sie kämpfte für die Rechte der Frauen und wagte es, einen öffentlichen Literaturstreit auszutragen. Sie war die erste Fraue, die von ihrer schriftstellerischen Tätigkeit leben konnte. Christine de Pizan ging ihren Weg, träumte bereits im Mittelalter von einem Ort, an dem Frauen einfach nur sein können, ohne unterdrückt, ausgebeutet, misshandelt oder ausgenutzt zu werden.

Literaturhinweise:

  • Green, Karen, Constant J. Mews und Janice Pinder (Hgs.). 2008. The Book of Peace: By Christine de Pizan. Penn State University Press.
  • Zühlke, Bärbel. 1994. Christine de Pizan in Text und Bild. Zur Selbstdarstellung einer frühhumanistischen Intellektuellen. Stuttgart: Verlag J. B. Metzler.