Philosophie Geschichtsschreibung

Drei Frauen für Sokrates

Drei Frauen für Sokrates

Aspasia, Diotima und Xanthippe – wie Frauen auf unterschiedliche Weise den griechischen Philosophen Sokrates und damit auch das europäische Denken prägten.

Sokrates war ein bedeutender griechischer Philosoph, der als Begründer der abendländischen Philosophie gilt. Er hatte großen Einfluss auf das gesamte europäische Denken, obwohl er selbst keine Schriften verfasste. Was viele aber nicht wissen: Frauen prägten und beeinflussten sein Denken und Handeln.

Vorurteile und Klischees

Zugegeben – was wir über Sokrates wissen, oder zu wissen glauben, stammt nicht von ihm selbst, sondern wurde von seinen Schülern für die Nachwelt festgehalten. Einer dieser Schüler war Platon, der entgegen weitläufiger Meinung diese Frauen durchaus positiv beschrieb. Platon wurde in diesem Kontext zu Unrecht als Frauenfeind abgestempelt. Erst durch Übersetzer seiner Texte, die selbst einem abwertenden Frauenbild zugeneigt waren, wurde Platon zu einem angeblichen Frauenfeind gemacht.

Aspasia, Diotima und Xanthippe sind nach wie vor wenig erforscht und ihre Leben geben viel Raum für Spekulationen. Das liegt mitunter daran, dass die männliche Geschichtsschreibung ein verzerrtes Bild über diese Frauen festhielt und zu unterschiedlichen Zeiten Rollenklischees benutzte, um eigene Positionen -zum Beispiel von Übersetzern- zu unterstreichen.

Es lohnt sich daher, die Umstände, unter denen solche Vorurteile entstanden sind, kritisch zu hinterfragen. Was ist über die Lebenszeiten des Sokrates und des Platon bekannt? Welche Frauenbilder bestanden und in welcher Beziehung stehen sie zu den erhaltenen Texten? Wer hat die griechischen Texte ins Deutsche übersetzt und interpretiert? Wie wollen wir diese Texte lesen und verstehen? Je nach Lesart lässt sich nämlich jederzeit ein frauenfeindliches UND ein frauenfreundliches Bild konstruieren.

Aspasia - Lehrerin der Rhetorik

Aspasia von Milet war eine Hetäre, eine hoch gebildete Frau, die ihren Körper gegen Bezahlung verkaufte. Im Gegenzug zur gewöhnlichen griechischen Frau, die kaum das Haus verließ und sich um Haushalt und Kinder kümmerte, konnte sich Aspasia frei bewegen. Das ist jedenfalls eine Theorie über ihr Leben, die sich weder eindeutig bestätigen noch widerlegen lässt.

Jedoch ist Platon‘s Werk Menexenos überliefert. Darin beschreibt er Aspasia, wie sie Sokrates mit ihrer meisterhaften Rhetorik beeindruckte. Sokrates akzeptierte und respektierte Aspasia als Menschen und reduzierte sie nicht auf ihr Frau-sein. Das war keine Selbstverständlichkeit der damaligen Zeit.

Diotima - über die Liebe

Diotima von Mantineia ist genau wie Aspasia über Aufzeichnungen des Platon bekannt, worin sie als Lehrerin des Sokrates dargestellt wurde. Im Werk Symposion schrieb Platon, wie und was Sokrates über Diotima sprach. Diotima vertrat die Ansicht, dass es einen körperlichen und einen geistigen Zeugungstrieb gäbe. Die, die dem ersten verfallen, zeugen Kinder. Menschen mit einem geistigen Zeugungstrieb suchen sich Gleichgesinnte, um Wissen und Tugend zu teilen.

Obwohl manche behaupten, dass Diotima keine historische Persönlichkeit war, wurde sie im Werk Symposion als ebenbürtige Person beschrieben wurde. Laut dieser Darstellung lehrte sie Sokrates sogar sein wichtigstes Werkzeug: die Sokratische Methode. Durch gezieltes Fragen soll dabei das Gegenüber zu eigener Erkenntnis gelangen. Da beim „Gebären“ von Erkenntnis assistiert wird, nennt sich das auch Hebammenkunst (Mäeutik). Sokrates‘ bekannteste philosophische Leistung stammte laut dieser Beschreibung von einer Lehrerin bzw. wurde maßgeblich von Frauen inspiriert.

Xanthippe - die Ehefrau

Xanthippe ist die dritte Frau im Bunde, die Sokrates und sein Denken beeinflussten. In vielen Werken wird sie, die Ehefrau des Sokrates, als Ideal einer widerspenstigen und launischen Frau stilisiert. Durch ihre zanksüchtige Art trieb sie ihren Mann förmlich aus dem Haus hin zum Philosophieren. Dieses allgemein anerkannte Bild bescherte ihr sogar einen Eintrag im Duden, wo der Name Xanthippe als Synonym für Beißzange angeführt wird.

Generationen von Männern empfanden Mitleid mit Sokrates, der seinen Hausdrachen ertrug. Diese Schilderungen werden allerdings kontrovers diskutiert. In den Aufzeichnungen des Platon findet sich keine negative Darstellung. Sie wurden Xanthippe erst viel später angedichtet, um Sokrates positiv hervorzuheben. Diese negative Beschreibung wurde auch benutzt, um das eigene frauenfeindliche Weltbild zu bekräftigen. Somit geschieht Xanthippe seit Jahrhunderten Unrecht, da sie von männlichen Geschichtsschreibern im Nachhinein zur Zankteufelin erklärt wurde.

Historisch ist bis heute keine der drei Frauen eindeutig zu greifen. Gemäß Platons Beschreibungen prägten sie jedoch das Denken und Handeln des wohl bekanntesten antiken Philosophen, der als Begründer der abendländischen Philosophie gilt und das europäische Denken bis heute prägt. Allein deshalb haben sie unsere Aufmerksamkeit verdient.

Literaturhinweise:

  • Aliozi, Zoi. 2021 [2020]. „Diotima,“ IN: Rebecca Buxton und Lisa Whiting (Hg.): Philosophinnen. Herausragende Frauen der Philosophiegeschichte. Mairisch Verlag, S. 13–20.
  • Freudiger, Jürg. 1995. „Platon und die Sache der Frau,“ Kriterion 10, S. 14–27.
  • Henry, Madleine M. 1995. Prisoner of History. Aspasia of Miletus and Her Biographical Tradition. New York: Oxford University Press.