Frauenrollen

Skandalbankerin

Skandalbankerin

Von den einen wurde sie wie eine Heilige verehrt, von den anderen heftig kritisiert: Adele Spitzeder (1832-1895). Sie war die erste Person, der ein Schneeballsystem nachgewiesen werden konnte.

Adele Spitzeder brachte zahlreiche Menschen um ihr Vermögen, einige wählten daraufhin sogar den Freitod. Am 12. November 1872 wurde deshalb die Dachauer Bank wegen betrügerischen Bankrotts geschlossen und Adele Spitzeder in Untersuchungshaft genommen.

Dort schrieb sie ihre Memoiren. Sie selbst verstand sich jedoch nicht als Betrügerin, sondern als Tochter aus gutem Hause, die in geschäftlichen Dingen ahnungslos war.

Eine Künstlerin

Adele Spitzeder stammte aus einer Künstlerfamilie. Ihre Eltern waren beide an der Berliner Oper engagiert. Die Familie zog nach München, wo der Vater ein neues Engagement erhielt. Bald darauf starb der Vater und die Familie geriet in unsichere finanzielle Verhältnisse.

Mit acht Jahren kam Adele Spitzeder auf eine Schule für höhere Töchter in Wien. Schon dort entfaltete sie ihren Charme. Anschließend kehrte sie nach München zurück. Ihr Ziel: Als Schauspielerin und Sängerin die Bühne erobern.

Erste Auftritte folgten, doch die Gagen waren bescheiden. So kehrte sie bald zu ihrer Mutter zurück, die ihr ein monatliches Taschengeld gab. Mit diesem Taschengeld versorgte sie sich, ihre Lebensgefährtin und eine Schar Hunde.

Risiko-Bankerin

Wie kam sie nun zum Bankgeschäft? Durch Zufall, wie sie selbst sagt. Um ihren dekadenten Lebensstil aufrechtzuerhalten, zahlt sie die immer höheren Zinsen für ihre Kredite mit neuen Krediten zurück. Dann kam sie auf die Idee, einfach das Geld anderer Leute einzusammeln.

Schon nach kurzer Zeit zahlte sie die Einlagen ihrer ersten Kunden mit hohen Zinsen zurück. Das System erwirtschaftete seine Einnahmen vor allem durch eine stetig wachsende Teilnehmerzahl - das Schnellballsystem.

Mit den Einlagen ihrer Kunden bezahlte sie zunächst ihre eigenen Schulden. Die Menschen strömten weiterhin mit ihrem Geld zu ihr, ihr Ruf als Bankerin wuchs.

Die Dachauer Bank war geboren. Es waren vor allem einfache Leute, Händler, Handwerker, Dienstboten und später auch Bauern, die ihr Geld brachten. Genug Geld, um sich ein repräsentatives Haus zu kaufen.

Kalbsköpfe, ich sage euch rundheraus, dass ich keine Sicherheit für euer altes Geld gebe!

Ihr Charme half ihr, das Vertrauen der Anleger zu gewinnen. Jeder Kleinanleger wurde von Adele Spitzeder empfangen, die es verstand, mit den einfachen Leuten zu reden. Ihre schauspielerische Ausbildung half ihr, die Menschen zu begeistern.

Engel der Armen

In den ersten Jahren gelang es ihr, das Kapital der Einleger zu verdoppeln. Sie spendete auch große Summen für kirchliche Zwecke und war deshalb sehr beliebt. Man nannte sie den Engel der Armen.

Es war eine Zeit, die von wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit geprägt war. Die unsichere politische Lage, der Machtverlust der Kirche, der Beginn des Industriezeitalters verunsicherten viele einfache Menschen. Durch ihr charismatisches Auftreten gelang es ihr, diese Verunsicherung aufzufangen und Vertrauen zu schaffen.

Dann gründete sie die Volksküche, in der die Menschen zu wesentlich günstigeren Preisen essen konnten. Sie wurde als große Wohltäterin gefeiert.

Ende einer Geschäftsidee

So machte Adele Spitzeder ihr Geschäft: hohe Zinsen versprechen, bezahlt mit dem Geld neuer Kunden. Die Leute überhäuften sie mit Geld. Doch irgendwann kamen nicht mehr genug Kunden nach und ihr System brach zusammen.

Einige Wochen später wurde sie verhaftet. Es stellte sich heraus, dass Spitzeder ihren aufwendigen Lebensstil mit dem Geld ihrer Kunden finanzierte. Doch Adele Spitzeder konnte das nicht verstehen, sie sah sich als Opfer von Neidern.

Sie begründete dies damit, dass sie nicht über genaue Buchhaltungskenntnisse verfüge, was ihr nicht vorgeworfen werden könne.

Sie wurde zu drei Jahren Haft verurteilt. Während dieser Zeit wandte sich ihre Lebensgefährtin von ihr ab und heiratete. Sie blieb allein zurück. Sie starb 1895 in München. Ihre Familie ließ ihren Namen nachträglich ändern. So wurde sie auf dem Südfriedhof als Adele Schmid beigesetzt.

Literaturhinweise: