Frauenrollen Klischees

Bierbrauen in Frauenhand

Bierbrauen in Frauenhand

Mönche haben das erste Bier gebraut? Für Hausfrauen zählte das Bierbrauen bereits Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung zum Alltag.

In Mesopotamien, im Alten Ägypten, bei den Germanen oder im mittelalterlichen Europa – in vielen Kulturen und Epochen oblag das Bierbrauen über Jahrtausende hindurch den Hausfrauen. Erst vor wenigen Jahrhunderten kam diese weibliche Alltäglichkeit aus der Mode und geriet schnell in Vergessenheit. In kürzester Zeit wurde aus einer charakteristisch weiblichen Aktivität eine typisch männliche.

Vielleicht war das Bier sogar der Grund, warum Menschen einst sesshaft wurden. Durch den Getreideanbau konnte überschüssig produziertes Getreide zu Bier verarbeitet werden. Das ist jedoch nur eine mögliche Theorie, warum die Menschen das Nomadentum aufgaben und sesshaft wurden, die sich weder eindeutig belegen noch widerlegen lässt. Eines scheint aber sicher zu sein: Das Bierbrauen war genau wie das Brotbacken Frauensache. Beide Tätigkeiten zählten traditionell zu den Haushaltsaufgaben der Frauen.

Brauende Frauen in Mesopotamien

Die ältesten bekannten Texte, die das Bierbrauen beschreiben, stammen aus Sumer in Mesopotamien, der Wiege der Zivilisation, und sind über 4000 Jahre alt. Im Hymnus an Ninkasi, der dortigen Göttin des Bieres, wird das Bierbrauen aus Sicht einer Frau beschrieben.

Ein wichtiger Hinweis auf die Rolle der Frauen im Kontext des Bieres findet sich im Codex Hammurabi, einer Sammlung von Rechtssprüchen, die auf den babylonischen König Hammurabi (18. Jh. v. Chr.) zurückgeht. Dieser Text verweist auf Besitzerinnen von Tavernen und gib unter anderem Auskunft über die rechtlich festgelegte Bierqualität und das Schankwesen. Genau – es handelte sich ausdrücklich um Frauen. Die dazugehörigen Rechtssprüche sind übrigens die einzigen in diesem Codex, die explizit Frauen erwähnen.

Rotes Bier rettet Ägypten

Auch im Alten Ägypten lag das Bierbrauen in Frauenhänden: Da der Vorgang des Brauens dem des Brotbackens ähnelte, galt das Bierbrauen als natürliche Aufgabe der Hausfrau. Auch hier, ähnlich wie in Mesopotamien, gab es eine Göttin des Bieres, die Hathor genannt wurde.

Laut Legende beschloß der mächtige Sonnengott Re, die Menschheit aufgrund ihrer moralischen Verfehlungen zu vernichten. Er schickte seine Tochter Hathor, die blutrünstig wütete und mordete. Dann bekam Re Mitleid mit den Menschen und ließ Bier brauen, in das rote Farbe gemischt wurde. Hathor glaubte, es handelte sich um Blut, trank und wurde betrunken. Ägypten war gerettet und hatte fortan eine Göttin der Trunkenheit.

Bierkessel als weibliche Grundausstattung

Bei den Germanen war das Bierbrauen ebenso Frauensache und ein Braukessel gehörte zu den Gegenständen, die eine Frau idealerweise mit in die Ehe brachte. Ähnlich war es im mittelalterlichen Europa: Als typisch mittelalterliche Aussteuer galt ein kupferner Sudkessel zum Bierbrauen. Das Bier galt schließlich als Grundnahrungsmittel für Jung und Alt. Durch das Brauen wurden Erreger im Wasser abgetötet – wovon die Menschen damals aber noch keine Ahnung hatten. Dieser Vorgang machte das Getränk bekömmlicher und sicherer als Wasser, welches in den Städten häufig verunreinigt war.

Schriftliche Zeugnisse preisen die vorzüglichen Braukünste von Frauen: Von Katharina von Bora (1499–1552), Frau des Reformators Martin Luther (1483–1546), heißt es, dass sie eine vorzügliche Bierbrauerin war. Ihr Bier schmeckte Luther besser als alle anderen und er forderte seine Frau in Briefen auf, ihm ihr selbstgebrautes Bier nachzuschicken. Sie hatte das Brauen einst im Kloster gelernt, wo sie als Nonne gelebt hatte, bevor sie mit Martin Luther ein neues Leben begann.

Bierkränzchen und Bierhexen

Nach erfolgreichem Bierbrauen luden Hausfrauen gerne ihre Nachbarinnen zum Bierkränzchen, einem Vorläufer des Kaffeekränzchens, ein. Dabei wurde das neue Bier verkostet, Brotstücke in Bier getunkt und ausgiebig geplaudert.

Aber das Bierbrauen konnte für Frauen auch zur Gefahr werden. Manchmal wurden Gewürze beigemischt, die unwissentlich zu Halluzinationen führen konnten, oder etwas ging beim Brauen aus unerklärlichen Gründen daneben. Die Menschen konnten sich solche Vorgänge nicht erklären und vermuteten, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugehen musste. So kam es durchaus vor, dass eine Frau als Bierhexe angeklagt wurde und auf dem Scheiterhaufen landete.

Vom Erfolgsschlager zum Staubfänger

Welchen Stellenwert das häusliche Bierbrauen noch im 17. Jahrhundert einnahm, davon zeugt ein Bestseller der englischen Literatur. Im Handbuch für Hausfrauen, das Gervase Markham 1615 in London veröffentlichte, sind mitunter Ratschläge und allgemeine Hinweise zum Bierbrauen und zum hauseigenen Brauhaus enthalten. Eine Trendwende änderte jedoch die Bedeutung des häuslichen Bierbrauens.

Logistische, technische und finanzielle Voraussetzungen führten dazu, dass Brauereien genügend Überschüsse produzierten, um sie zu verkaufen. Durch eine Industrialisierung der Bierbrauerei übernahmen Männer eine typisch weibliche Aufgabe und brauten fortan das Bier in Brauereien. Aufgrund dieser Entwicklung geriet die Tradition des häuslichen Brauens allmählich in Vergessenheit und die einst so wichtige Aussteuer, der Braukessel, verlor an Bedeutung.

Literaturhinweise:

  • Forsyth, Mark. 2019. Eine Kurze Geschichte der Trunkenheit. Der Homo alcoholicus von der Steinzeit bis heute. Stuttgart: Klett–Cotta. Originaltitel: A Short History of Drunkenness. How, why, where and when humankind has got merry from the Stone Age to the Present [2017].
  • Furrer, Daniel. 2006. Zechen und Bechern. Eine Kulturgeschichte des Trinkens und Betrinkens. Darmstadt: Primus Verlag.
  • Hornsey, Ian Spencer. 2003. A History of Beer and Brewing. Cambridge: The Royal Society of Chemistry.
  • Imgrund, Bernd. 2020. Eine kleine Geschichte der Kneipe. Vom faszinierenden Treiben rund um den Tresen. München: riva Verlag.
  • Jones, Alana R. 2011. “Women in Brewing,” IN: Garrett Oliver (Hg.): The Oxford Companion to Beer. New York: Oxford University Press, S. 848–850.
  • Markham, Gervase. 2011. The well-kept kitchen. London: Penguin Books. Originaltitel: The English Huswife [1615].
  • Nelson, Max. 2005. The Barbarian’s Beverage. A History of Beer in Ancient Europe. London: Routledge.
  • Sallaberger, Walther. 2012. “Bierbrauen in Versen. Eine neue Edition und Interpretation der Ninkasi-Hymne,” IN: Catherine Mittermayer und S. Ecklin (Hg.): Altorientalische Studien zu Ehren von Pascal Attinger. Fribourg und Göttingen: Acad. Press Fribourg und Vandenhoeck & Ruprecht, S. 291–328.