Philosophie

Der Geist hat kein Geschlecht

Der Geist hat kein Geschlecht

Zur Zeit der Religionskriege, Hexenverbrennungen und des Absolutismus setzte sich eine Frau mutig, konsequent und vehement für die Gleichstellung der Geschlechter ein.

Für Marie Le Jars De Gournay (1565-1645) beruhte eine Unterordnung der Frauen auf Vorurteilen. Da man Frauen Bildungsmöglichkeiten verwehrte, wurde ein kultureller Leistungsunterschied zwischen Mann und Frau erzeugt. Und das ist nicht mit vermeintlich „natürlichen“ Argumenten zu belegen.

Bildung als Schlüssel

De Gournay erhielt -wie für ihr Geschlecht üblich- keine Bildung. Dennoch schaffte sie es, eine der gebildetsten Frauen ihrer Zeit zu werden. Sie las heimlich Bücher, bildete sich selbst weiter.

Für eine Frau führte sie ein durch und durch ungewöhnliches Leben. Sie weigerte sich zu heiraten, blieb lieber unabhängig. Sie kritisierte offen und zeigte Missstände in der Gesellschaft auf. Einige Zeit verbrachte sie am Hof Heinrich IV in Paris, wofür sie eine kleine Pension erhielt. Finanziell war sie deshalb nicht auf einen Mann angewiesen.

Literarisch war sie sowohl als Übersetzerin, als auch als Herausgeberin und eigenständige Autorin tätig. So übersetzte sie große Klassiker, wie etwa Cicero oder Ovid, ins Französische. Auch brachte sie die Essays ihres Freundes, des französischen Philosophen Michel de Montaigne, nach dessen Tod heraus. Und sie veröffentlichte eigenständige Schriften, wie:

  • Die Gleichheit zwischen Männern und Frauen (1622, Original: Égalité des Hommes et des Femmes)
  • Die Beschwerde der Frauen (1626, Original: Le Grief des dames)
Moral und Gleichheit der Geschlechter

Während die Hexenverfolung ihren Höhepunkt erreichte, trat De Gournay unbeirrt für ihre Ideale ein: für Moral, Bildung und Gleichheit der Geschlechter. Politik und Kirche hingegen kritisierte sie für deren Doppelmoral.

Klatsch und Tratsch hielt sie für das größte Laster ihrer Zeit. Sie entdeckte bösartiges Getratsche in allen Bereichen der Gesellschaft. Auch sie wurde aufgrund ihrer Unabhängigkeit, Bildung und Gesellschaftskritk nicht verschont. Schließlich stellte sie in keinster Weise eine für damals typische Frau dar.

Religiöse Beweise

In biblischen Texten und in der Kirchengeschichte fand sie Belege für eine Gleichberechtigung der Geschlechter. Ausgerechnet dort, wo angeblich keine vorhanden war. Diese Belege enthüllten, dass Frauen in einem kirchlichen Kontext einst sehr wohl öffentliche Ämter bekleidet hatten.

Im biblischen Buch Genesis steht etwa, dass Männer und Frauen nach dem göttlichen Bild geschaffen sind. Daraus folgerte De Gournay, dass Männer und Frauen auch rationale Fähigkeiten und die gleichen Rechte und Pflichten besäßen.

Eine besondere Hervorhebung fand Maria Magdalena, die erste Jüngerin und „Apostel der Apostel“. Laut De Gournay stünden auch Frauen Kirchenämter zu, da Maria Magdalena beauftragt wurde, die Nachtricht von der Auferstehung Christi zu verkünden.

Sklaverei und Verdummung

De Gournay empfand die soziale Stellung der Frauen als gleichbedeutend mit Sklaverei: Frauen verwehrte man jegliche Güter. Frauen durften keine öffentlichen Ämter, Titel oder irgendwelche Verantwortungen übernehmen. Stattdessen wurde ihnen Freiheit entzogen. So blieb ihnen nichts weiter, als in Ignoranz, Knechtschaft und Dummheit zu verfallen, ohne ihr Potenzial je genutzt zu haben.

De Grounay deckte zwar zahlreiche biblische, historische und philosophische Argumente für die Gleichstellung von Mann und Frau auf. Doch Frauen wurden weiterhin als Eigentum angesehen und als untergeordnete Wesen behandelt.

Oder in den Worten ihres Landmannes François Rabelais (ca.1683-1553), dem größten französischen Schriftsteller der Renaissance:

Sag ich Weib so meine ich ein so gebrechlich, unbeständig, wandelbar und unvollkommenes Geschlecht, dass die Natur mir (…) von jedem richtigen Verstand, womit alles formiert und erschaffen, sich verirrt zu haben scheint, als sie das Weib erfand. Und wenn ichs hundert und hundert Mal bedenk, komm ich auf keinen andern Schluss, als dass sie mit der Erschaffung des Weibes mehr auf des Mannes gesellige Lust und Mehrung des Geschlechts bedacht war, denn auf die Vollkommenheit des Weibs in sich selbst.

  • In: Der Traum und sein Schatten: Marie de Gournay und ihre Zeit – Frühfeministin und geistige Verbündete Montaignes, 2000, S. 33, von Brigitte Rauschenbach.

Obwohl es zu ihrer Zeit Begriffe wie Feminismus noch nicht gab, gilt De Grounay als Vorreiterin des Feminismus bzw. als Frühfeminisitin. Sie besaß den Mut, für ihre Ideale einzutreten, obwohl ihr dafür auch der Tod auf dem Scheiterhaufen hätte blühen können.

Literaturhinweis:

  • Hillman, Richard und Colette Quesnel (Hg.). 2002. Marie le Jars de Gournay: Apology for the Woman Writing and Other Works. University of Chicago Press.

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